Suche
Menü schließen
IREBS Standpunkt Nr. 67

Berufe in der Immobilienwirtschaft sind ...

Die deutsche Immobilienwirtschaft befindet sich auch 2018 in einem starken Marktumfeld – sehr viele Unternehmen suchen qualifizierte Mitarbeiter. Damit befindet sich die Branche freilich in guter Gesellschaft: Die Arbeitslosenquote ist fast halb so hoch wie während der Dotcom-Euphorie. Zuletzt lag die Arbeitslosenquote in (West-)Deutschland Anfang der 1980er Jahre auf dem aktuellen Niveau. Qualifizierte Arbeitskräfte können es sich also häufig aussuchen, für wen sie arbeiten. Entsprechend gibt es nicht nur zwischen den Unter­nehmen einer Branche, sondern auch zwischen den Unternehmen sehr verschiedener Branchen einen Schönheitswettbewerb um Talente.[1]

Die geringen Geburtenraten in Deutschland lassen auch nicht vermuten, dass sich hieran mittelfristig viel ändern wird – zumindest in den künftigen Aufschwungphasen. Daher ist es wichtig, dass die Immobilienbranche junge Menschen für ihre Aufgaben und Heraus­forderungen begeistert, denn die Pfadabhängigkeiten einer frühen Berufswahl sind in Deutschland noch immer stark ausgeprägt. Und genau deshalb ist es notwendig, das Image der Branche zu pflegen und nachhaltig zu verbessern, um junge Menschen früh auf die Auf­gaben in der Immobilienwirtschaft aufmerksam zu machen. Hier gibt es bereits viele An­strengungen. Das ULI geht mit UrbanPlan gezielt in Schulen, um dort junge Leute für Stadt- und Immobilienprojekte zu interessieren; der ZIA hat die Berufsbilder der gif einer breiteren Zielgruppe zugeführt. All dies ist wertvoll und sinnvoll. Doch reicht es aus, um das Image der Branche zu polieren? Regelmäßig wird durch Verbandsvertreter darauf hingewiesen, dass das Image der Immobilienbranche nicht zufriedenstellend sei. Diese Urteile sind mitunter auf Umfragen gestützt. Das ist nachvollziehbar, doch Umfragen haben (nicht nur) einen ent­scheidenden Nachteil: Es ist schwer zu sagen, ob die Befragten wirklich die Wahrheit gesagt haben oder nicht. In Umfragen ist Lügen kostenlos möglich. Für die Immobilienwirtschaft kommt ein weiterer Nachteil hinzu: Das Bild der Immobilienbranche wird gerade für junge Schulabgänger nicht durch die Vielfalt der Branche geprägt, sondern in erster Linie durch das Berufsbild mit der höchsten Sichtbarkeit im Privaten, dem Wohnungsmakler. Dies könnte gravierende Implikationen für die Gesamtbranche haben.

Um dies zu veranschaulichen, habe ich ein paar typische Immobilienberufe in die Google-Suchmaske eingegeben. Dabei wollte ich nicht herausfinden, auf welche Seiten man geführt wird, ich wollte auch nicht mit Google Trends analysieren, ob bestimmte Berufe häufiger oder seltener gesucht werden als früher, sondern ich wollte schauen, ob bestimmte Immobilien­berufe häufiger ein negatives Image erhalten als andere. Dafür ist die automatische Vervoll­ständigung in der Suchmaske indikativ, denn sie spiegelt, welche Begriffe am häufigsten eingegeben werden. Hier folge ich der Argumentation von Seth Stephens-Davidowitz, der in seinem sehr lesenswerten Buch „Everybody lies“ zeigt, dass in dieser Suchmaske nicht nur echte Suchanfragen eingegeben werden, sondern häufig auch (emotional geleitete) Wert­urteile und Einschätzungen. Geben Sie einfach zur eigenen Erbauung die vermeintliche Suchanfrage „Mein Mann ist …“ oder „Meine Frau ist …“ ein. Die vorgeschlagenen typischen „Suchanfragen“ lassen nicht vermuten, dass hier Menschen auf der Suche sind, sondern sie möchten eher eine Gefühlslage irgendwie kommunizieren. Wenn kein Freund oder Ver­wandter zur Hand ist, dann tippen Menschen ihre Gefühlswelt eben in eine Google-Zeile. So wird Google in einer ersten Runde zum seelischen Kummerkasten und dann in der zweiten Runde zum Spiegel menschlicher Befindlichkeiten, und das tun sie ehrlicher als in einer Umfrage – so die Argumentation von Stephens-Davidowitz.

Ich habe dies also für einige typische Immobilienberufe probiert und in die Google-Such­maske die Abfragen „Immobilienverwalter sind …“ oder „Projektentwickler sind …“ einge­geben. Zu den allermeisten Immobilienberufen kamen überhaupt keine automatischen Vervollständigungen. Weder für Bauträger noch für Property, Facility oder Asset Manager scheint es starke, kommunikationswürdige Urteile zu geben. Auch nicht für Immobilien­bewerter, Immobilienanalysten oder Immobilienfinanzierer. Nichts. Niente. Nada.

Es gibt drei Berufsgruppen, bei denen ich fündig wurde: Handwerker, Architekten und vor allem Immobilienmakler. Bei Handwerkern und Architekten mischen sich unter einige Be­schimpfungen und Unterstellungen immerhin positive Bewertungen wie „die besten“ oder „attraktiv“. Nur bei Immobilienmaklern gibt es ausschließlich negative Bewertungen, die im Übrigen fast wortgleich auch für Politiker eingegeben werden.

Man sollte dieses Ergebnis mit genügender Vorsicht interpretieren, denn das ist keine empirische Hochseilanalyse. Menschen klagen zu den allermeisten Themen eher in der Suchmaske, als dass sie belobigen. Man darf hier keine neutrale Nettobetrachtung erwarten. Der Negativbias besteht für quasi alle Berufsgruppen, sogar für Polizisten, Ärzte oder Pro­fessoren.[2] Und natürlich wird die Branche mit der direkten Berührung zur Bevölkerung – die Makler – auch am direktesten beurteilt. Doch gerade daher ist die Stellung der Makler für die gesamte Branche wichtig. Sie färbt eben ab, sie prägt das Bild einer gesamten Branche.

Schwerer als die negativen Kommentare zu den Maklern wiegen für mich, dass die aller­meisten Berufe der Immobilienbranche bei der Google-Community überhaupt keine Emo­tionen hervorrufen. Sie scheinen nicht zu existieren. Aus dieser einfachen Blitzanalyse resultieren daher zwei direkte Handlungsempfehlungen: Die Immobilienbranche sollte daran arbeiten, dass es höhere Zugangshürden für Immobilienmakler gibt, damit die wenigen schwarzen Schafe nicht die Maklerbranche und auch nicht die gesamte Immobilienbranche verdunkeln können. Daher könnte der Sachkundenachweis für Immobilienmakler nicht nur ein Anliegen der Makler selbst, sondern letztlich der gesamten Immobilienbranche sein. Es sollte jedoch darüber hinaus energisch daran gearbeitet werden, dass die Berufe der Immo­bilienwirtschaft mehr Emotionen wecken, denn nur dann werden sich junge Menschen entscheiden, diese Berufe auch zu wählen.

Bleibt als Rausschmeißer nur noch der Hinweis, dass bei aller Begeisterung für Google Analytics und (vermeintliche) Massendatenanalysen durch Internet-Informationen große Vorsicht bei der Interpretation der Informationen gewahrt sein muss. Auch wenn die oben skizzierten Ergebnisse m. E. belastbar und die Schlussfolgerungen nachvollziehbar sind, so ist die Datenbasis nicht nur Verzerrungen unterworfen, sie ist auch einfach manipulierbar. Ich freue mich jedenfalls darauf, in ein paar Monaten noch einmal die automatische Suchvervoll­ständigung durchzuführen in der felsenfesten Erwartung, dass ein paar junge Mitarbeiter abends beim Bierchen das Image ihrer jeweiligen Berufsgruppe durch Google-Sucheingaben poliert haben. Leider würde durch solch taktisches Daddeln das Image der Branche nicht wirklich besser, ein junger Indikator würde lediglich entwertet. Dabei könnten immerhin ein paar lustige Kombinationen entstehen: Tippen Sie einfach mal „Wissenschaftler sind …“ in die Google-Maske ein. Nach ersten roten Ohren ist die Erklärung freilich banaler als gedacht.


[1] Sehr häufig wird der martialische Begriff des „war for talent“ zur Beschreibung dieser Situation verwendet. Diesen Begriff halte ich für eine zynische Verniedlichung des Kriegsbegriffs. Er beschreibt nicht wirklich, was Unternehmen tun, um attraktiv für Qualifizierte zu sein (siehe auch meinen Standpunkt Nr. 38 aus dem Jahr 2015).

[2] Professoren gelten bei den „Suchenden“ übrigens sehr häufig als faul und arrogant, immerhin auch als intelligent. Puh! Beruhigt hat mich, dass einige Sucher feststellen, Professoren seien „auch nur Menschen“. Hätten wir das also dank Google geklärt, was auch immer hier als gedachte Alternative im Raum gestanden haben könnte.


Zum Weiterlesen:
Stephens- Davidowitz, S. (2017). Everybody lies. What the internet can tell us about who we really are. Bloomsbury. New York.

Lesen Sie den IREBS Standpunkt Nr. 67 auch im Web auf The Property Post.


Prof. Dr. Tobias Just (FRICS)
Prof. Dr. Tobias Just (FRICS) ist Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie und Lehrstuhlinhaber für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

IREBS Immobilienakademie GmbH
Kloster Eberbach
65346 Eltville

Telefon: +49 (0) 6723 9950-30
E-Mail: tobias.just@irebs.de
Online-Studienberatung
schließen+49 6723 9950-30 anrufenE-Mail an irebs@irebs.de