Suche
Menü schließen
IREBS Standpunkt Nr. 63

Dichte allein wird die Wohnungspreise nicht stabilisieren – Eigenheimförderung auch nicht

Wer die Wahl hat, hat die Qual, sagt eine beliebte Redewendung. Wenn man so durch die Wahlauslese der gängigen Zeitungen dieser Tage surft, scheint sie sich zu bestätigen. Katzenjammer überall: Können sich die Jamaika-Gesprächspartner einigen? Können sich die Unionsparteien überhaupt verständigen? Was bedeutet die AFD im Bundestag? Könnte es Neuwahlen geben und was würde das für die Demokratie und das Wirtschaftswachstum bedeuten? Fast gewinnt man den Eindruck, einige Journalisten möchten hier epische Konflikte heraufbeschwören. Nüchtern betrachtet, würde eine Jamaika-Koalition aber aus den Kontrahenten Angela Merkel, Alexander Dobrindt, Cem Özdemir und Christian Lindner bestehen. Das klingt weder nach Bob Marley und Peter Tosh noch nach Donald Trump und Kim Jong-un, sondern bei aller Offenheit für journalistische Zuspitzung recht realpolitisch. In einer Jamaika-Koalition würde zum Glück für die Wirtschaftspolitik viel weniger Karibik und viel mehr Preußen und Bayern stecken.

Also unterstellen wir mal, dass die Politiker den Auftrag der Wähler annehmen und sich zu einem Kompromiss zusammenraufen. Was dürfte dies für die Immobilienwirtschaft bedeuten, bzw. was sollte solch eine Koalition mit Blick auf die immobilienwirtschaftlichen Herausforderungen angehen? Nun, dass die Mietpreisbremse in solcher Koalition verschärft wird, ist unwahrscheinlicher als ihr Ende. Das ist eine gute Nachricht, sowohl für die Anbieter als auch für die Nachfrager von Wohnraum, denn das Verbieten von Preissignalen hat noch nie zu zusätzlichem Angebot geführt. Freilich werden die Grünen dafür sorgen, dass der Kurs zu mehr Energieeffizienz im Gebäudesektor nicht verlassen wird. Beide Maßnahmen machen Wohnen kurzfristig nicht erschwinglicher, daher wäre es wichtig, Kosteneinsparungen an anderer Stelle zu erzielen und mehr zu bauen. Der wichtigste Hebel liegt hier leider nicht auf Bundesebene, sondern bei den einzelnen Kommunen. Der Zugang zu günstigem Bauland und das zügige Umsetzen von Genehmigungen ist zentral.

Es ist auch damit zu rechnen, dass irgendeine Form von Wohneigentumsförderung eingeführt wird. Um das böse Wort „Subvention“ zu vermeiden, weil es irgendwie nicht zum liberalen Wortekonsens (sic!) der FDP passt, wird man wohl einen Freibetrag für die Grunderwerbsteuer anstreben. So falsch ist das nicht, doch sollte man den Steuerzahlern fairerweise auch erklären, wie Steuersenkungen gegenfinanziert werden, sonst kann das letztlich eine verbrämte Linke-Tasche-rechte-Tasche-Maßnahme sein. Dass hier – ähnlich wie bei der Eigenheimzulage – mit umfangreichen Mitnahmeeffekten zu rechnen ist, ist ebenfalls sehr wahrscheinlich. Wichtiger aber ist, dass diese Maßnahme allein noch keinen neuen Wohnraum schafft, sondern nur die Nachfrage in (wahrscheinlich) größere Flächen lenkt, denn die meisten Menschen kaufen nicht einfach ihre bisher angemietete Wohnung, sondern verbinden die Eigentumsbildung mit der Flächenvergrößerung. Hinzu kommt, dass sich der aktuelle zyklische Aufschwung wohl eher in einem späten als in einem frühen Stadium befindet. Dann würde der steuerliche Impuls gerade jene, die das dünnste Eigenkapitalpolster haben, zu einem wahrlich unschönen Zeitpunkt zur größten Investition ihres Lebens motivieren. Nein, Eigenheimförderung sollte nicht das Goldene Kalb der Wohnungspolitik sein.

Wenn der Schlüssel zu erschwinglichem Wohnraum also eher auf der Angebots- als auf der Nachfrageseite zu suchen ist, wird zu Recht häufig nach Nachverdichtung der Städte gerufen. Das ist sinnvoll, denn deutsche Städte gelten im internationalen Vergleich eher als locker bebaut. Es gibt also Potenzial. Doch Nachverdichtung hat ein Problem: Es ist eine recht teure Form der Angebotsschaffung. Das gilt vor allem dann, wenn es Beschränkungen in der Höhe und steigende Baukosten gibt, denn dann verteilen sich die hohen Bodenpreise auf relativ wenig nutzbare Fläche. Die Entwickler werden so regelrecht in das Luxussegment gedrängt. Nun hilft zwar jedes Angebot, um Nachfrageüberhänge zu reduzieren, weil Filtereffekte zwischen angrenzenden Märkten für den Ausgleich sorgen; blöderweise ist dies jedoch ein ziemlich feinporiger Filter, sprich, es dauert sehr lange, bis der Ausgleich auch bei jenen ankommt, die wirklich eine Wohnung brauchen und nicht nur eine zusätzliche wollen.

Daher sollte neben der Strategie der Nachverdichtung auch ein Wachstum in die Breite der Städte sowie das „Nicht-Vernachlässigen kleinerer Städte“ unterstützt werden. Das deutsche Städtesystem ist über Jahrhunderte gewachsen und führte zu einer vergleichsweise dezentralen Struktur. Richtig, es fehlt eine echte Weltstadt in Deutschland. Für die Mieter ist dies aber durchaus ein Vorteil. Dies lässt sich an einem einfachen Beispiel illustrieren, das bewusst stark idealisiert wurde.

Stellen Sie sich eine kleine kreisförmige Stadt vor, deren Zentrum den attraktivsten Wohn-raum bietet. Die Einkommen in der Stadt sind normalverteilt, das heißt, die reichsten 10% wollen alle in die beste Lage. Wie gesagt, die Stadt ist klein, sie umfasst gerade einmal 12,56 km², das entspricht einem Durchmesser von 4 km. Die beste Lage entspräche in der Abbildung dem roten Kreis, der einen Durchmesser von 2 km hat. Wer mittendrin wohnt, kann alle Orte innerhalb des roten Kreises zu Fuß innerhalb von 15 Minuten erreichen. Vor allem bietet der kleine Kreis hinreichend viel Platz für die oberen 10%, denn der Kreis macht ein Viertel der gesamten Stadtfläche aus. Wenn es nun zwanzig solcher Städte gäbe, hätte jede dieser Städte eine ähnliche Situation, selbst Menschen mit mittleren Einkommen würden fußläufig zur City leben.

Würde man nun diese zwanzig Kleinstädte in eine große kreisförmige Stadt verdichten, würden die Menschen weiterhin auf insgesamt 251 km² leben (20 mal 12,56 km²). Das ist immerhin ein Kreis von knapp 18 km Durchmesser und entspricht ziemlich genau der Fläche von Frankfurt am Main – was für ein Zufall. Der Frankfurter Grüngürtel lässt sich zwar gut mit dem Fahrrad befahren, doch wirklich fußläufig ist eine solche Stadt nur noch in einzelnen Quartieren. Würde man die „beste Lage“ proportional übertragen, ergäbe sich ein Quartier von 62 km², also ein Kreis mit knapp 9 km Durchmesser. Gibt es auch in dieser größeren Stadt normalverteilte Einkommen, ist mit intensivem Wettbewerb um die besten Lagen zu rechnen. In diesem einfachen Modell ist Attraktivität abhängig von der Fußläufigkeit zum Zentrum. Die Menschen sind nicht sportlicher geworden, also ist dies dieselbe Fläche mit 2 km Durchmesser (schwarzer Kreis in der Abbildung rechts). Dies ist aber nur noch gut 1% der gesamten Stadtfläche – ein nennenswerter Teil der „obersten 10%“ wird verdrängt wer-den. Die Bodenpreise steigen stark an.

Natürlich ist dieses Modell stark vereinfacht, doch es hilft zu verstehen, dass Reurbanisierung im wahrsten Sinne des Wortes einen Preis hat. Vor bald 20 Jahren stellte mir Prof. Johannes Hackmann, ein Finanzwissenschaftler, beim Kaffeetrinken eine vermeintlich einfache Frage: „Warum sollten die agilen Großstädte weniger agile Kleinstädte und ländlichen Räume durch alle möglichen Finanzausgleiche subventionieren? Oder: Was ist der Wert von Dezentralität?“ Herr Hackmann war kein Immobilienökonom, seine beste Antwort auf die Frage war, weil die Dezentralität ein Mehr an Sicherheit für das gesamte Staatsgebilde bietet. Wirklich glücklich machte mich die Antwort damals nicht. Vor 16 Jahren, im Zuge der Ereignisse von 9/11 stellten zwei befreundete Londoner Analysten die These auf, dass sich nun die Wirtschaft dezentralisieren würde. Wieder waren Sicherheitsüberlegungen Treiber ihrer Gedanken, der Artikel hieß: „Disperse for security“. Auch hier blieb ich skeptisch.

Nein, ein größerer Wert der Dezentralität ist die Glättung der Bodenpreise. Dies hilft Wohn- und Gewerbeimmobilienflächen erschwinglich zu lassen. Natürlich gibt es Kosten der Dezentralität und Vorteile von Ballung, doch wenn aktuell Erschwinglichkeit ein wichtiges Thema ist, bedeutet Ballung allein keine Lösung, wenn man nicht in Tokioter Schuhkartons enden möchte.

Was wären dann Implikationen für die Politik: Schneller und flächendeckender Ausbau von Breitband, denn Internet ist heute wichtiger als Fernsehen. Der Ausbau der Breitbandinfra-struktur dient der Integration von Städten in ein größeres Städtenetz. Die Wirkung ist also ähnlich wie der Ausbau von Verkehrsinfrastruktur und Betreuungsinfrastruktur, um Familien zu entlasten. Auch das Expandieren von Städten, manchmal sogar das Fusionieren von Städten kann helfen. Warum dies unseren Urgroßvätern möglich war, aber nun undenkbar sein soll, ist ein Rätsel. Letztlich geht es jedoch auch hier eher um die weiteren Verflech-tungsgürtel von Metropolräumen als um wirklich entlegene ländliche Räume.

Dies könnte überdies mehr für die private Wohneigentumsbildung bringen als Fördermaßnahmen ohne neues Angebot, denn es ist für Haushalte mit geringen Einkommen einfacher, ein Objekt für 350.000 Euro zu finanzieren als ein Objekt für 500.000 Euro, bei dem die Grunderwerbsteuer entfällt.


Prof. Dr. Tobias Just (FRICS)
Prof. Dr. Tobias Just (FRICS) ist Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie und Lehrstuhlinhaber für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

IREBS Immobilienakademie GmbH
Kloster Eberbach
65346 Eltville

Telefon: +49 (0) 6723 9950-30
E-Mail: tobias.just@irebs.de
Online-Studienberatung
schließen+49 6723 9950-30 anrufenE-Mail an irebs@irebs.de