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IREBS Standpunkt Nr. 37

Innovationen in der Immobilienwirtschaft – Es gibt noch erhebliches Potenzial

Die Innovationsfähigkeit ist für Wachstumsprozesse von Unternehmen von immenser Bedeutung. Dies gilt natürlich auch für Unternehmen in reifen Branchen, wie der Immobilienwirtschaft. Mit Blick auf die Innovationstätigkeit scheint die Immobilienwirtschaft jedoch klassischen Industriebranchen wie der Automobilindustrie hinterherzuhinken. Dies mag überraschen, gibt es doch weder an der Bedeutung der Branche, noch an den bereits erzielten Erfolgen nichts zu diskutieren: Etwa 25 bis 40% des Energie-, 30% des Rohstoffverbrauchs und 30 bis 40% der Treibhausgasemissionen werden im weitesten Sinne durch Immobiliennutzungen verursacht (Bienert, Geiger, & Cajias, 2012). Auch haben Veränderungen in der Branche rasch große monetäre Relevanz für eine Volkswirtschaft: denn insgesamt entfallen auf die Immobilienwirtschaft (im weiteren Sinne) rund 16% der gesamten deutschen Bruttowertschöpfung, das waren 2013 insgesamt 480 Mrd. EUR.

Ist die Immobilienbranche innovativ?
Tatsächlich sind in der Immobilienwirtschaft große Innovationserfolge erzielt worden, jedoch sind diese nicht so offensichtlich wie bei anderen Branchen, weil sich der Fortschritt teils sehr langsam vollzieht. Verbrauchten Wohnimmobilien um 1950 im Schnitt 240 kWh/m²a, so beträgt der Energieverbrauch für neuerstellte Wohnimmobilien nach 2010 nicht mehr als 90kWh/m²a. Gleichwohl gibt es statistische Hinweise darauf, dass die Immobilienwirtschaft Aufholpotenzial beim Thema Innovationskraft hat:

So belegt die Bauwirtschaft / Immobilienwirtschaft nur Rang 21 von 45 bei den Patentanmeldungen; und dies entspricht gerade einmal einem Anteil von 1,8% aller eingereichten Patente. Um die Messung der Innovationskraft in der Immobilienwirtschaft besser zu erfassen, eignet sich ein Vergleich der Produktivitätsentwicklungen der einzelnen Branchen: In den Jahren von 1992 bis 2012 nahm für das Grundstückswesen die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen um 1,3% p.a. zu, im Handel belief sich der Anstieg auf 1,6% p.a. und im Verarbeitenden Gewerbe auf 3,4% p.a. Die Entwicklung verlief für die Immobilienwirtschaft also unterdurchschnittlich.

Diese unterdurchschnittliche Produktivitätsentwicklung in der Branche könnte ein Indiz für weniger Prozessinnovationen sein. Dass es nicht allein daran liegt, dass die Immobilienwirtschaft als Dienstleistungsbranche möglicherweise weniger Rationalisierungspotenzial hat als Industriebranchen, zeigt der Vergleich mit anderen Dienstleistungsbranchen wie dem Handel.

Was könnten nun Gründe für fehlende Innovationskraft in der Immobilienbranche sein?
Innovationen werden typischerweise durch mehrere Faktoren begünstigt. So ist die Transparenz der Märkte ein entscheidender Faktor: Der Informationsaustausch zwischen Marktakteuren ermöglicht einen förderlichen Informationsfluss, welcher über Markt- und Innovationspotenziale Aufschluss gibt. Immobilienmärkte gelten als vergleichsweise intransparent. Gerade in einer kleinteiligen und heterogenen Branche dient Intransparenz als Konkurrenzblocker und damit gleichzeitig als Innovationsblocker.

Auch fehlt für viele Produkte der Immobilienwirtschaft die Möglichkeit, Patente anzumelden. Wenn Innovationen nicht hinreichend monetisiert werden können, unterbleiben sie. Dabei ist der Patentschutz ein zweischneidiges Schwert, da er den Zugang zum Wissen limitiert und damit darauf aufbauende Ideen verhindert, womit wiederrum Intransparenz geschaffen wird. Üblicherweise wird argumentiert, dass ein wirksamer Patentschutz mit moderater Laufzeit ein effizientes Mittel ist, um kapitalintensive Innovationen zu stimulieren. Für die Immobilienwirtschaft gilt so oder so, dass ohne die Möglichkeit einer Patentanmeldung auch das Wissen über erfolgte Innovationen fehlt.

Die Immobilienbranche wird maßgeblich von wenigen Entscheidern aus Wirtschaft, Politik und dem Verbandswesen geprägt. Auch dies könnte Marktzutritte und damit Innovationen erschweren. Hier dürften die Kapitalintensivität und insbesondere die Abhängigkeit von Fremdkapital ausschlaggebende Bremsfaktoren sein.

Wie lassen sich also Innovationspotenziale heben?
In einer reifen Industriebranche fällt die Innovationsdynamik häufig niedriger aus als in einer jungen Branche. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch in reifen Branchen Innovationen Risiken für etablierte Marktakteure haben können. Dies gilt umso mehr, denn viele gesellschaftliche Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte haben einen direkten oder indirekten Immobilienbezug. Der Anreiz, mit immobilienwirtschaftlichen Veränderungen eine große wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkung zu erzielen, ist also groß und möglich. Die Immobilienwirtschaft kann also durch Innovationsförderungen einen Beitrag leisten, um zentrale Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Es geht hierbei z.B. um Energieeffizienz, Barrierearmut, Verteilungsgerechtigkeit, Effizienz der Verkehrswege.

Immobilienunternehmen, die Innovationsprozesse einrichten, werden sich im Wettbewerb durchsetzen und Risiken frühzeitig erkennen. Werden Innovationen hingegen nicht frühzeitig wahrgenommen, können Innovationsentwicklungen aus anderen Branchen auch für Risiken in der Immobilienwirtschaft sorgen. Das Internet birgt solch disruptives Potenzial für die Immobilienwirtschat. Dies ist besonders gut anhand der Einzelhandelsumsätze zu erkennen. Betrug der Online Versandhandelsumsatz zum Jahrtausendbeginn noch rund 2,5 Mrd. Euro, so ist der Umsatz innerhalb der letzten 13 Jahre um mehr als das 15-fache auf 39 Mrd. Euro p.a. gestiegen. Im selben Zeitraum wuchs der Umsatz im stationären Einzelhandel (i.e.S.) lediglich um kumuliert 5%.

Die Bedeutung des Internets für die Preisbildung auf Immobilienmärkten, das Vermarktungswesen und die Allokation von Kapital steckt hierbei sogar wohl noch in den Kinderschuhen. Jedoch ist klar: werden diese Innovationen nicht von der Immobilienwirtschaft selbst gesteuert, so droht das Risiko, dass Google, Alibaba und Co. für Innovationen sorgen, die Geschäftsmodelle vieler Immobilienwirtschaftlicher Marktakteure herausfordern. Im Allgemeinen gibt es drei Säulen, die für den Innovationsprozess in der Immobilienwirtschaft maßgeblich sind und es Ansatzpunkte für höhere Innovationsbereitschaft in der Branche geben kann:

Unternehmen der Immobilienwirtschaft:

  • Unternehmen brauchen flexible Geschäftsmodelle, die sich an neue Herausforderungen anpassen können.
  • Unternehmen brauchen Risikobereitschaft, um Innovationen zu entwickeln und diese zu etablieren.
  • Die Innovationskultur sollte innerhalb der Unternehmen gefördert werden. Dazu trägt eine kommunikationsfreundliche und flexible Bürogestaltung bei, möglicherweise auch ein eigener Innovationsbeauftragter

Die Immobilienbranche:

  • Die Branche könnte sich auf eine einheitliche Innovations-Guideline in der Immobilienwirtschaft festlegen; so kann – gerade für kleinere Unternehmen – die Initiierung von Innovationsprozessen vereinfacht werden.
  • Schnittstellen zu verschiedenen Branchen sollten geschaffen werden, damit ein interdisziplinärer Innovationsansatz geprägt werden kann.
  • Die Immobilienbranche sollte eine Innovationskultur hegen und einen eigenen Innovationscluster etablieren.

Der Gesetzgeber:

  • Der Gesetzgeber könnte dafür sorgen, dass Innovationshemmschwellen durch vereinfachte Novellierungsverfahren gesenkt werden und Anreizsysteme für Innovationen entstehen.
  • Nachhaltige Innovationen sollten nicht nur staatlich gefordert, sondern auch gefördert werden. Veränderte Material- und Bauvorgaben können dazu führen, dass private Akteure nicht nur adaptieren, sondern auch (re)agieren und den geänderten
  • Vorgaben mittels Innovationen im Material- und Arbeitsbereich Rechnung tragen.
  • Die Vernetzung von verschiedenen Akteuren in der Branche sollte bereits durch das Zusammenspiel verschiedener Behörden vorgelebt und somit gefördert werden.

Anhand unserer Studie konnten wir feststellen, dass die Immobilienwirtschaft sich auf den Weg gemacht hat, Innovationspotenziale systematisch – durch unterschiedliche Innovationsarten – zu heben. Doch ist sowohl in der Umsetzung sowie in der Analyse dieser Prozesse noch ein weiter Weg vor uns.

Sollten Sie an weiterführenden und detaillierten Ergebnissen interessiert sein, so empfehlen wir unsere Gemeinschaftsstudie mit Deloitte: Innovationen in der Immobilienwirtschaft.

Literaturempfehlung:
Bienert, S., Geiger, P., & Cajias, M. (2012): Nachhaltigkeit konkret: Vier Strategien. IREBS Standpunkt.
Just, T.; Müller, M.; Orszullok, C.; Maurin, M.; Hesse, M. (2014) Innovationen in der Immobilienwirtschaft – Eine Studie der Deloitte-Gruppe, München.
Weise, J. (2007): Planung und Steuerung von Innovationsprojekten. Betriebswirtschaftslehre für Technologie und Innovation, Band 59. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 12-19.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts:
Just, Tobias; Müller, Michael; Maurin, Mark: Viel Potenzial für Innovationen. In: Immobilien Manager 2015, Nr. 1/2, S. 62ff.

 

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