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IREBS Standpunkt Nr. 23

Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft erfordert politisches Augenmaß

Immobilien prägen unseren Alltag. Wir wohnen und arbeiten in Immobilien, unsere Kinder gehen in Schulen und Universitäten. Viele Freizeitaktivitäten sind ohne Immobilien nicht möglich. Der größte Teil des Handels findet in Immobilien statt. Sogar unsere gemeinschaftlichen spirituellen Bedürfnisse werden überwiegend in Immobilien befriedigt. Dass Immobilien eine gewaltige Vermögensklasse darstellen, ist also trivial. Dass sich der Wert von Immobilien und Boden in Deutschland aber auf über 10 Billionen Euro summiert – also den fast vierfachen Wert des Bruttoinlandsprodukts – wird auch von Experten oft unterschätzt. In der gesamten Wertschöpfungskette von der Planung über die Finanzierung bis zur Verwaltung entstehen jedes Jahr über 430 Milliarden Euro an Wertschöpfung in der Immobilienwirtschaft. Das ist etwa jeder fünfte Euro in Deutschland und etwa fünfmal so viel wie im Fahrzeugbau an Wertschöpfung entsteht.

Immobilien sind beliebtes Ziel für politische Interventionen
Die Immobilienwirtschaft ist aber nicht nur wegen ihrer schieren Größe eine besondere Branche: Immobilien prägen unsere Städte und damit unser Leben. Wohnen stellt zudem ein existenzielles Bedürfnis dar. Hinzu kommt, dass Immobilien ortgebunden sind, ändern sich die regionalen Wirtschaftsstrukturen, lässt sich die regionale Immobilienstruktur nicht einfach mit anpassen. Schließlich reagiert die Angebotsseite mit einer deutlichen Verzögerung auf Nachfrageänderungen. Dadurch kann es zu heftigen konjunkturellen Zyklen kommen. Alle diese Faktoren sorgen dafür, dass die Immobilienwirtschaft auch ein beliebtes Ziel für politische Interventionen ist. Daher sind regulatorische Änderungen für die Bau- und Immobilienbranche immer mit Augenmaß vorzunehmen, denn viele Interventionen haben nicht nur eine direkte Wirkung auf das jeweilige Immobilienmarktsegment, sondern auch (oft nicht intendierte) Nebenwirkungen und sogar Fernwirkungen auf andere Märkte. Dies gilt zum Beispiel für direkte Preisregeln für Mietwohnungsmärkte, eine Verteuerung von Immobilientransaktionen durch höhere Grunderwerbssteuern oder eine Beschränkung indirekter Immobilienanlageformen.

Regulatorische Hektik scheint für Deutschland auch deshalb aktuell weniger geboten als in anderen Ländern, weil die deutschen Immobilienmärkte wesentlich stabiler durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen sind als viele andere internationale Märkte. Dies gilt sowohl für die gewerblichen als auch für die Wohnungsmärkte. Die vergleichsweise vorsichtige Vergabe von Fremdkapital ist hierfür ein ebenso entscheidender Aspekt wie der stabile Hypothekenpfandbrief als Refinanzierungsinstrument. Gleichwohl müssen wir in Deutschland aufpassen, dass wir durch neue Regulierungen nicht jede Form von risikobehafteten Immobilienfinanzierungen aus dem Markt preisen, denn auch solche Projekte sind für eine dynamische Volkswirtschaft unerlässlich.

Keine nationale Immobilienblase in Deutschland
Die Entwicklung auf den spanischen oder irischen Wohnungsmärkten hat zwar eindrucksvoll gezeigt, dass der laxe Zugang zu Fremdkapital gravierende Verwerfungen für Immobilienmärkte, Finanzinstitute und nicht zuletzt private Haushalte haben kann, auch birgt das aktuelle Niedrigzinsumfeld sicherlich eine höhere Gefährdungslage für eine kreditfinanzierte Vermögenspreisblase als ein Umfeld hoher Zinsen. Dennoch ist die Datenlage eindeutig: eine nationale Immobilienpreisblase ist aktuell nicht zu erkennen. Die Preise steigen zwar in vielen Städten schneller als in 15 Jahren zuvor. Doch liegt dies in erster Linie an einer Belebung der Nachfrage bei nur moderater Bautätigkeit und nicht an spekulativer Investition. Eine bessere Datenlage, um mögliche regionale Verwerfungen besser einschätzen zu können, wäre aber insbesondere für die gewerblichen Immobilienmärkte sehr wertvoll.

Mit Blick nach vorne stellen sich für die deutschen Immobilienmärkte mehrere große Herausforderungen. Neben der Frage, welchen Beitrag die Immobilienwirtschaft bei der Energiewende spielen darf und sollte, sind dies insbesondere die Implikationen der demografischen Entwicklung. Hier geht es weniger um das häufig befürchtete Abschmelzen der Vermögenswerte (asset meltdown) auf nationaler Ebene, sondern um die sich verstärkenden regionalen Unterschiede, die durch die Wanderung von wirtschaftsschwachen zu wirtschaftsstarken Regionen und die damit verbundenen Nachfrageverschiebungen zum einen sowie den immensen Investitionsbedarf in barrierearme Wohnungen und Quartiere zum anderen. Allein um den aktuellen Bedarf an barrierearmen Wohnungen zu decken, müssten etwa 40 Milliarden Euro in den Wohnungsbestand investiert werden. Auch hier ist das richtige Augenmaß des Gesetzgebers dringend geboten.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: Just, Tobias: Herausforderungen im Blick. In: Immobilien Manager, 2013, Nr. 11, S. 46-47

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