Suche
Menü schließen
IREBS Standpunkt Nr. 10

Im Zeitalter der Markttransparenz?

Mag sein, dass zukünftige Generationen in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts den epochalen Umbruch sehen, welcher dann den Namen trägt: Zeitalter der Transparenz. Transparenz als eine Weiterentwicklung des sog. Informationszeitalters, in welchem wir seit rund 20 Jahren leben. Dass der Begriff Transparenz gerade in der Ökonomie, der Politik und neuerdings der Immobilienwirtschaft eine solch dramatische Verwendung gefunden hat, kann eben mit einem fast epochalen Ereignis erklärt werden: Dem Platzen der dot com Blase, dem darauf folgenden Enron Debakel in 2001 und in einer neuen Auflage seit 2008 die vielzitierte Finanzkrise. Auch wenn bisweilen eher im Stillen von akademischen Zirkeln geäußert wird, dass die gängigen Wirtschaftsmodelle, welche fast 200 Jahre das Gerüst der Ökonomie begründet haben und gemeinsame Klammer des Wissens und Handeln bildeten, offensichtlich keine Antworten mehr geben, auf das was heute die Forderung ist. Die Risikobeherrschung durch neue Marktmodelle. Ein mehr an Information ‒ so scheint es ‒ ist der Schlüssel zu mehr Systemstabilität.

Gerade in der Immobilienwirtschaft ist die Forderung nach mehr Transparenz immer stärker zu vernehmen. Dabei hat sich in den letzten 20 Jahren einiges sehr positiv entwickelt. Mindeststandards z. B. durch die gif e. V. wurden gesetzt, erste Schritte von umfassenderen Transaktionsdatenbanken z. B. durch den ZIA e. V. werden sichtbar. Im Bezahlbereich ging diese Entwicklung eindeutig schneller von Statten als im auf Freiwilligkeit basierenden und im öffentlichen Sektor. Doch zwischen den transparenten großen 5 Immobilienhochburgen und den restlichen rund 70 B- und C-Standorten klafft noch immer eine deutliche Lücke. Immobiliendeutschland ist noch immer ein eher semitransparentes Immobilieninformationsland. Ein latentes Risiko folglich?

Das Risiko an den Immobilienmärkten ist grundsätzlich systematisch, es entsteht also nicht durch individuelle Immobilienprodukte oder die Immobilien selbst. Wenn man also mehr Information zu bestimmten Immobilienmärkten veröffentlicht, verbessert man nicht unmittelbar das Risikomanagement für das ganze System. Dabei ist es fast verzwickt, denn „etliche der als sinnvoll für Steuerungszwecke notwendig erachteten Daten“ liegen vor – doch seien es rechtliche Gründe („Die Parteien beschließen Stillschweigen…“), Eigennutz („Was habe ich davon wenn ich die Daten herausgebe?“) Trittbrettfahrer („ich liefere erst wenn alle liefern“!“) oder (falsch verstandener) Datenschutz. Nun sind die einzelnen Motive singulär nicht von der Hand zu weisen. Gerade gegen das Phänomen der Trittbrettfahrer ist zunächst schwerlich anzukommen; sind sie doch grundsätzlich eher Gewinner: Sie nutzen Informationen vom Markt, ohne eigene Daten zur Verfügung zu stellen. D. h. sie haben keine Kosten, aber den Nutzen durch die sonstigen Marktdaten und unter Umständen dadurch sogar einen Informationsvorteil. Warum sollte ich folglich jemanden meine Datensätze geben und dafür auch noch bezahlen, auf dass er mir zweimal im Jahr eine Benchmark zurückgibt? Und obwohl es alle irgendwie gut meinen: An dieser Denkhaltung beißen sich seit Jahren professionelle Anbieter von Immobiliendatenbanken bzw. Immobilienindizes die Zähne aus. Der Preis um letztlich alles vergleichbar zu machen, ist den meisten zumindest heute noch zu hoch – den unmittelbaren Wettbewerbsvorteil sehen nicht allzu viele. Warum tut man sich eigentlich so schwer in Deutschland den Kaufpreis oder noch schlimmer den Verkaufspreis seines Gebäudes zu benennen? Warum sind es bisher nur einige wenige, welche z. B. die Ankaufsrenditen in öffentlich zugängliche Datenbanken melden? Überraschenderweise gerade im hochentwickelten und ansonsten so auf Transparenz bedachten und Informationsfreiheit beschworen Deutschland. Ein wesentliches Problem neben der inneren professionellen Einstellung liegt in den häufig „veralteten“ und vielleicht auch der Qualität der Daten. Echtzeitdaten gibt es in der Immobilienwirtschaft bisher nicht. Alles, was publiziert wird, hat einen historischen Charakter – mal mehr, mal weniger. Dabei wären alle Daten sinnvoll, denn diese haben eigentlich das Potenzial, Angebot und Nachfrage auf vielen Märkten deutlich besser zusammenzubringen. Die notwendige Markttransparenz erhöht die Effizienz – durchaus als ökonomischer Imperativ verstanden. Diese umfassende Transparenz bringt aber auch einen Zwang hervor. In dieser Transparenz liegt deshalb ein systemischer Zwang, denn sie beschleunigt und operationalisiert letztlich die Entwicklungen an den Immobilienmärkten. Doch damit tun sich auch negative Seiten auf:

  • Demografischer Wandel? Keine unbekannte Datengröße für diejenigen, welche die Daten haben und interpretieren. Doch alle Daten nützen indes nichts, wenn sie niemand sehen will - Reaktionszeit bisher 10 Jahre.
  • Oder die Produktklasse „offener Immobilienpublikumsfonds“ – ein Paradebeispiel wie Echtzeitinformationen (Mittelzu- und Abflüsse) und statische Informationen (Objektbewertung zweimal im Jahr) in einen deutlichen Zugzwang bringen, der (bisher) fast die Hälfte der Produktklasse unter sich begräbt. Reaktionszeit bis zur Reform: 5 Jahre.
  • Entvölkerung ländlicher Räume und der damit verbundene Wertverlust der als Allzeitstabilitätsanker bezeichneten eigenen Immobilie? Die Erkenntnis reift und die Zahlen zeigen, dass die Monstranz der Wertstabilität bei der geografischen Analyse kaum noch zu halten ist.
  • Markttransparenz als Ausdruck des Marktzykluses? Beim Blick auf die verschiedenen Marktphasen fällt auf, dass das Problem der Marktintransparenz zumeist in Phasen der Marktinstabilität fällt.

Wenn sich die Märkte stabil entwickeln, können sich die Marktakteure grundsätzlich grob an den Marktinformationen ihrer vorigen Transaktionen orientieren. Diese entwickeln dann aus ihrer Sicht im Laufe der Zeit ein "gewisses Gespür“ für die richtigen Preise und Mieten an den Märkten. Auf den ersten Blick scheinen deshalb die Akteure, welche regelmäßig viele Transaktionen durchführen, in einem Marktumfeld der Intransparenz im Vorteil zu sein, da sie einen besseren Marktüberblick haben und die Intransparenz dann eine Markteintrittsbarriere für potentielle Wettbewerber darstellt. Doch spätestens bei Marktumschwüngen oder retrospektiv dann festgestellte Marktinstabilitäten wie zuletzt 2009 „schockgefrosteter Investmentmarkt“: Die Preise fallen, keiner weiß, wie stark die Preiskorrekturen ausfallen. D. h., die publizierten Marktinformationen fallen als Ankerdaten für eigene Transaktionen aus, so dass der Markt aufgrund divergierender Preisvorstellungen zwischen Anbietern und Nachfragern völlig zum Erliegen kommt.

So einfach ist die Forderung nach mehr Markttransparenz folglich nicht umzusetzen. Nur wer die Mindeststandards erfüllt, wer für ausreichend Transparenz und Informationsabdeckung sorgt und wer diese Informationen auch nahezu in Echtzeit liefert, gewinnt den Kunden – sei es an den wohnwirtschaftlichen oder an den gewerblichen Marktsegmenten. Um auf das Radar der Käufer bzw. Investoren überhaupt zu kommen, bedarf es eindeutig mehr als ein- oder zweimal im Jahr eine Wertfeststellung zum Markt zu machen. Im Meer an Informationen, welches wir in den kommenden Jahren in und an den Immobilienmärkten erwarten dürfen, wird sich der Wettbewerb vor allem über die dahinterliegenden Datenbanken definieren – siehe die als Tabelle angeführten Beispiele. Diese sollten weitgehend unsichtbar bleiben und stattdessen die Benutzerfreundlichkeit und den Servicegedanken unterstützen und rasch ein Ergebnis liefern. Der Wettbewerb wird sich – neben der eigentlichen Datenbasis und einer sehr breiten Marktabdeckung - irgendwo zwischen historischer Zeitreihe, Turnus bzw. Zeitfenster der Updates und Kosten vollziehen. Damit das Modewort Markttransparenz auch ein Markt- und Standortfaktor wird für Deutschland.

Wichtiger Hinweis:
Externe Autoren vertreten ihre persönliche Meinung. Diese Meinung muss nicht mit der Meinung der IREBS übereinstimmen.

 

Kompletter Artikel Nr. 10 als PDF

Online-Studienberatung
schließen+49 6723 9950-30 anrufenE-Mail an irebs@irebs.de