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IREBS Standpunkt Nr. 46

Digitale Revolution prallt auf stille Revolution: Geht das für die Immobilienwirtschaft gut?

Sechs Fragen an Prof. Dr. Tobias Just, Universität Regensburg und IREBS Immobilienakademie. Nachgefragt hat Thorsten Müller, Chefredakteur des German Council Magazins.

Frage 1: Bei vielen Akteuren der Handelsimmobilienbranche bilden die starren gesetzlichen Regelungen hinsichtlich Flächen- und Sortimentsbeschränkungen ein Ärgernis und eine deutliche Behinderung ihrer Arbeit, vor allem im zunehmenden Wettbewerb mit dem Online-handel. Sie beschäftigen sich ja auch damit. Wie können Akademie und Gesellschaft hier helfen?

Wir befinden uns mit der Digitalisierung und der Globalisierung in einem massiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, der quasi alle Lebensbereiche erfasst: Dadurch entstehen viele neue Geschäftsmodelle – online, offline und als Mischformen zwischen beiden Welten, so viele, dass die Implikationen für Wirtschaft und Gesellschaft kaum durchdekliniert werden konnten. Das Internet pulverisiert gewohnte Strukturen. Das ist häufig eine Chance, weil Kosten für die Verbraucher gesenkt werden. Doch gleichzeitig entstehen Risiken, weil neue Reibungskanten zwischen Datenschutz, Arbeitsschutz und Effizienz entstehen. Weder die Antworten der 1960er Jahre helfen uns weiter, wahrscheinlich aber auch nicht die holzschnittartigen Antworten aus Lehrbüchern. Die Wissenschaft kann hier helfen, sinnvolle Regeln aufzustellen, die die Chancen der neuen Technik nutzen lässt, ohne die Grenzen des Wettbewerbs einseitig zu verschieben. Wenn Datenmonopole entstehen, stellen sich zudem neue wettbewerbspolitische Fragen. Hier sind Juristen und Ökonomen gleichermaßen ge-fragt. Unsere Aufgabe in der Akademie ist es zunächst, die Marktteilnehmer für diese Veränderungen zu sensibilisieren und zu erläutern, dass sich Innovationstätigkeit und Anpassungsflexibilität an neue Märkte zumindest ein Stückweit managen lassen.

Frage 2: In unserer aktuellen Magazin-Ausgabe geht es um das Leitthema „Talent“. Wie attraktiv ist Ihrer Meinung nach eigentlich die Immobilienwirtschaft für junge Arbeitsuchende?

Die Immobilienbranche ist die größte Branche in einer Volkswirtschaft. Es gibt so viele Möglichkeiten: vom Facility Manager bis zum Projektentwickler, Investmentbanker oder Datenmanager. Einige der wichtigsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen werfen immobilienwirtschaftliche Fragen auf: Wie schaffen wir mehr erschwinglichen Wohnraum in den Städten? Wie können wir die Energieeffizienz im Immobilienbestand erhöhen? Wie können wir menschenwürdige Unterkünfte für Schutzsuchende schnell aufstellen? Wie können wir unsere Innenstädte lebendig erhalten? Wie sehen Räume aus, in denen wir uns gerne aufhalten? Dies sind so grundlegende Fragen, dass es mir schwer fällt, nicht dauerhaft Chancen in der Immobilienwirtschaft zu sehen. Allerdings wird es auch innerhalb der Immobilienbranche immer Verschiebungen geben: viele Berufe verändern sich im Zuge technischer Entwicklungen; viele Fertigkeiten werden dadurch entwertet. All dies zwingt dazu, dass sich Arbeitnehmer stetig qualifizieren müssen. Doch so lange die Immobilienwirtschaft grundlegende Bedürfnisse des Menschen befriedigt, so lange wird es gute Chancen für jungen Menschen in der Branche geben.

Frage 3: Was müsste sie (die Immobilienbranche) tun, um ihren Status im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen zu verbessern?

Ein schlechtes Branchenimage ist selten Zufall. Es ist das Ergebnis von vielen menschlichen Entscheidungen, die sich im Nachhinein als gierig oder unfair motiviert erwiesen haben. Da es bei Immobilientransaktionen immer um sehr große Werte geht, landet Fehlverhalten eher in der Presse als Fehlverhalten in anderen Dienstleistungsbranchen. Transparenz hilft daher immer: denn dann lässt sich Fehlverhalten leichter erkennen und sanktionieren. Eine gute Ausbildung, Kodizes wie jene der ICG oder der RICS helfen zusätzlich. Es wird aber ein langwieriger Prozess sein, denn die systemimmanenten Nachteile der Branche, also zum einen die Besonderheit jeder einzelnen Transaktion und zum anderen die Größe von Transaktionen, verschwinden nicht über Nacht. Diese zwei Faktoren sorgen aber dafür, dass Glücksritter angezogen werden und dass die Presse gerne über die spektakulären Fehler berichtet.

Frage 4: Hat sich die Immobilienwirtschaft eigentlich in den letzten Jahren signifikant verändert?

Sie hat sich meiner Ansicht nach massiv verändert: Die Marktakteure, die Journalisten, die Wissenschaftler, die Branchenverbände agieren professioneller. Die Immobilienwirtschaft ist dadurch effizienter und schneller geworden. Effizienz ist immer gut, schnell indes nicht per se. Doch da sich auch die deutsche Immobilienwirtschaft in ein globales Netz eingeflochten sieht, lässt sich das Rad nicht zurückdrehen. Die höhere Geschwindigkeit hat die Anforderungen an die Marktakteure deutlich erhöht. Wir sollten hier aufpassen, dass wir bei dieser Schnappatmung nicht verlernen, Strategien zu durchdenken. Manchmal ist ein Gespräch bei einem Spaziergang im Weinberg wertvoller als vier Stunden „konzentriertes“ Arbeiten an den Folien 127 bis 157 im Cubicle 21.

Frage 5: Was muss heutzutage ein junger Bewerber mitbringen, um einen guten Job in der Immobilienwirtschaft zu bekommen?

Er oder sie sollte natürlich eine immobilienspezifische Ausbildung mitbringen. Die kann in der Grundausbildung oder berufsbegleitend im Rahmen einer Weiterbildung geschehen. Diese Ausbildung sollte die Vielschichtigkeit der Immobilienwelt veranschaulichen, ein guter Kandidat sollte in vielen Disziplinen halbwegs trittsicher sein. All dies lässt sich lernen. Wichtig ist darüber hinaus Begeisterungsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Teamfähigkeit und Kreativität. Tja, das klingt ein bisschen wie die berühmte eierlegende Wollmilchsau. Zum Glück muss man nicht in allen Tugenden Weltmeister sein, auch hier gilt, dass es die Mischung macht.

Frage 6: Sind die Job-Kandidaten der Generation Smartphone heute eher besser oder eher schlechter einzustufen im Vergleich mit denen vor 10 bis 15 Jahren?

Sie sind meiner Ansicht nach anders ausgebildet und (etwas) anders sozialisiert. Sie sind in Immobilienfachgebieten besser geschult als es frühere Generationen waren. Viele sind selbstbewusster, auch bei Präsentationen vor einer Gruppe. Das ist wertvoll. Mir scheint, bei der Umstellung auf die verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge haben wir heute leider zu wenig Zeit, um gutes Schreiben zu lernen. Die kurzatmige Arbeits- und Sozialwelt erschwert das Erlernen von längeren Argumentationsketten. Der Wert dessen wird auch in den Medien nicht mehr geschätzt. Ansonsten sind die Unterschiede m.A. geringer als mitunter theoretisiert wird. Es gibt Bienenfleißige und Faule, es gibt Durchsetzungsstarke und eher Anpassungsfähige. Insbesondere sollten wir nicht vergessen, dass der Bedarf an Universitätsabsolventen stark gestiegen ist; gleichzeitig führt eine seit Jahrzehnten zu geringe Geburtenhäufigkeit eben nicht zu einem Angebotsüberhang an jungen Menschen. Kurz: das Angebot an jungen Menschen wird knapper, die Nachfrage nimmt zu. Wenn sich Intelligenz und Motivation ähnlich verteilen wie früher, müssen wir uns nicht wundern, dass Arbeitgeber heute manchmal enttäuscht sind. Diese Verschiebungen erklären für mich mehr als das Gerede über unterschiedliche Generationen: Als ich Student war, bezeichnete die Vorgängergeneration uns übrigens als „Null-Bock-Generation“. Ach ja, die Vorgängergeneration war die „Woodstock-Generation“ – die Stille Revolution, also das Verschieben von Materialismus zu Postmaterialismus, hat Ronald Inglehart vor 45 Jahren ausgerufen.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: German German Council Magazin, Ausgabe 1/2016, Seite 32 ff.
Lesen Sie das vollständige Interview unter https://www.gcsp.de/de/gc-magazin.html.

 

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