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IREBS Standpunkt Nr. 9

Gereimtes und Ungereimtes: Risikomanagement 2012

Im Zuge der Finanz- und später Staatsschuldenkrise machte der Begriff des Risikomanagements auch in der Immobilienwirtschaft schnell Karriere, denn zu deutlich wurde durch die Entwicklungen sowohl in den USA als auch in Spanien oder Irland – aber auch hierzulande bei der Verlängerung von Gewerbeimmobiliendarlehn, dass Immobilieninvestitionen weder für institutionelle noch für private Anleger eine risikolose Kapitalanlage darstellen. Tatsächlich sind Immobilieninvestitionen sehr spezifischen Risiken im Vergleich zu Aktien- oder Anleihen ausgesetzt, denn Immobilien sind standortgebunden, großvolumig und sind wenig standardisiert, in einigen Fällen sogar echte Unikate. Hier greifen dann Standardrisikomodelle aus der Kapitalmarktanalyse nur mit Einschränkungen, denn wichtige Annahmen dieser Modelle werden oftmals auf Immobilienmärkten nicht hinreichend erfüllt. Nun, man könnte sogar zusätzlich anmerken, dass viele Standardrisikomodelle nicht in der Lage waren, rechtzeitig vor den Turbulenzen auf den Kapitalmärkten zu warnen.

Und daher ist es leider viel leichter, Risikomanagement zu fordern als effektiv umzusetzen. Dies hat drei Gründe: Erstens sind die konkreten Risiken für einen Immobilieninvestor viel-schichtig. Risikoanalysten für Immobilienmärkte müssen sich mit Länder- und regionalen Risiken ebenso auseinander setzen wie mit den Marktrisiken der Immobilienklasse, in die ein Investor engagiert ist. Wer den Büromarkt Frankfurt verstanden hat, wird dadurch nicht zum Experten für den Frankfurter Wohnungsmarkt. In die Gruppe dieser Marktrisiken lassen sich auch die Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken subsumieren, denn der Zugang zum Fremdkapitalmarkt wird häufig im Zuge makroökonomischer Bewegungen erleichtert oder er-schwert. Und dieser Zugang bestimmt, welche Preise bei Transaktionen aufgerufen werden können. Darüber hinaus spielen in dieser Kategorie gerade auch institutionelle Regeländerungen eine wichtige Rolle. Dies wird an der Entwicklung der offenen Immobilienfonds in den letzten Jahren sehr deutlich. Weitsichtiges Risikomanagement muss sich daher mit möglichen Implikationen des aktuellen regulatorischen Umfelds ebenso befassen wie mit möglichen Veränderungen dieses regulatorischen Rahmens. Es geht also um tief gehendes Verständnis der Implikationen der Regeländerungen von Basel III und Solvency II ebenso wie die möglicherweise aus Refinanzierungsengpässen resultierenden Folgeregelungen. Ferner gibt es objektspezifische Risiken, die nicht durch Marktanalysten, sondern am besten durch Bauingenieure und Sachverständige bewertet werden können. Außerdem muss es eine klare Vorstellung über den Analysezeitraum geben: möchte man nur kurz- oder auch mittel- und langfristige Risiken wie demografische Trends und klimatische Veränderungen berücksichtigen. Opportunistische Investoren sind geneigt zu sagen, dass für sie nur die kurzfristigen Risiken relevant sind. Das ist jedoch ein Trugschluss, denn dieser Schluss unterstellt, dass mögliche langfristige Käufer ebenfalls die langfristigen Risiken ausblenden würden. Tun sie dies nicht, fallen auch den opportunistischen Investoren die Langfristrisiken spätestens beim angestrebten Verkauf auf die Füße.

Zweitens wird mit dem Begriff Risiko etwas nachlässig umgegangen – und tatsächlich habe ich das im bisherigen Teil des Beitrags auch getan. Anlagerisiko beschreibt eine Welt, in der wir die Eintrittswahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Entwicklungen ziemlich gut kennen und dann mit Risikomodellen in Risikoprämien und Preise übertragen können. Tatsächlich kennen wir jedoch gar nicht die „wahren“ Eintrittswahrscheinlichkeiten. Die Welt ist nicht riskant, sondern unsicher. Anders als Risiko beschreibt Unsicherheit nämlich ein Umfeld, in dem man die Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht kennt. Letztlich kennt man noch nicht einmal alle möglichen Szenarien. Die Zukunft ist eben nicht die mittlere Entwicklung der letzten zwanzig oder dreißig Jahren, sondern bestenfalls ähnlich. Mark Twain sagte aphoristisch, dass Geschichte sich nicht wiederholt, sondern reimt. Das gilt für die Zeitläufte genauso wie für Immobilienzyklen. Sehr schematische Risikomodelle erkennen den Reim aber vielleicht nicht die Alliteration in der aktuellen Entwicklung. Risikomodelle sollten daher flexibel und offen für Interpretationen bleiben. Modelle ergänzen den Sachverstand des Analysten, sie ersetzen ihn nicht. Das gilt 2012 genauso wie es vor dem Platzen der Immobilienblase oder der Dot-Com-Blase galt.

Drittens impliziert gerade diese Prognoseunsicherheit, dass kleine Fehler große Katastrophen auslösen können, wenn Risikomodelle zu Steuerungssystemen führen, die eine sehr geringe Fehlertoleranz haben. Risikomanagement 2012 sollte daher auch ein Stück Demut zulassen, dass sich nicht jede angemessene Risikoprämie prognostizieren noch nicht jede Unsicherheit steuern lässt. Um auf Mark Twain zurück zu kommen: Risikomanagement 2012 erfordert also methodisch geschulte Analysten, die zeigen, wo sich die Investmentzyklen „reimen“ und vorsichtige Manager, die die Ungereimtheiten der Marktprozesse im Augen behalten.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts:
Just, Tobias: Gereimtes und Ungereimtes. In: Immobilien & Finanzie-rung 63 2012, Nr. 14, S. 460

 

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