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IREBS Standpunkt Nr. 60

Zum Datenmanager, nicht zum Datensklaven werden

Wir leben in einer datenabhängigen Welt. IBM schätzt, dass jeden Tag weltweit 2,5 Trillionen Bytes an neuen Daten generiert werden – das entspräche über den Daumen gepeilt 2,5 Billionen Büchern. Und die Entwicklung beschleunigt sich weiter. Wir – und das schließt die Immobilienwirtschaft explizit mit ein – hängen also nicht an einem Datentropf, wir leben mit einem reißenden Datenstrom. Und doch gilt die Immobilienwirtschaft als vergleichsweise in-transparent. Nun, Informationen sind kein Wissen und Wissen ist keine Weisheit. Es wäre aber misslich, ließen sich diese Fantastilliarden an Bytes nicht für Entscheidungen in der Immobilienwirtschaft nutzen.

Damit wir nicht in der Datenflut ertrinken, hat die Immobilienwirtschaft den Digitalisierungstrend entdeckt: Daten über Kunden, Prozesse, Verträge, Zulieferer und letztlich über die Objekte helfen, die eigenen Produkte und Dienstleistungen passgenauer und effizienter anzubieten, um sich dadurch in einem wettbewerbsintensiven Markt durchzusetzen.

Daten werden damit zu einer notwendigen Bedingung für unternehmerischen Erfolg in der Zukunft, doch sie sind keine hinreichende Bedingung dafür. Mitunter entsteht der Eindruck, dass sich Big Data in der Datensammlung erschöpft. Umfangreiches Sammeln neuer Daten ist natürlich geboten, solange sich die offizielle Statistik sogar über den Büroflächenbestand ausschweigt und wir erst eine Volkszählung brauchten, um auf die halbe Million genau die Zahl der Wohnungen in Deutschland zu erfahren. Doch ein Berg mit Daten ist wertlos, wenn wir keine Analysekompetenz besitzen und folglich schon an einem Datenmaulwurfshügel straucheln. Diese Kompetenz umfasst nicht nur Methodenkenntnisse, sondern vor allem die Fähigkeit, Daten angemessen zu interpretieren.

Hierzu vier Beispiele: (1) Das Bruttoinlandsprodukt misst die Wirtschaftskraft eines Landes und ist eine zentrale Größe für die Analyse von Immobilienmärkten. Was hilft es aber dem Wohnungsanbieter, wenn die Gesamtwirtschaft an den Zielhaushalten vorbei wächst, sprich: wenn wir unsere Zielgruppe nicht in den Daten finden? Wir müssen viel häufiger, viel tiefer nach Antworten schürfen als früher. (2) Aussagen zu Spitzen- und Durchschnittsmieten (res-pektive zu den jeweiligen Mietrenditen) sind aufschlussreich und für den Vergleich mit den Werten für Zielobjekte wichtig. Doch alle diese Werte sind nur Ausschnitte des betrachteten Marktes. Die Verteilung und vor allem die Verschiebungen in den Verteilungen dieser Para-meter sind ebenso aufschlussreich – insbesondere außerhalb des Spitzensegments. (3) Das Denken in Zyklen fällt vielen Menschen schwer. Steigt ein Wert drei Mal in Folge, wird sofort ein neuer Trend beschworen. Überall, wo unsichere Zyklen existieren, hilft das Fortschreiben von Zeitreihen nicht weiter. Hier braucht es Szenario-Analysen und Simulationen. (4) Das Immobilienvermögen der deutschen Haushalte gilt als vergleichsweise niedrig im internatio-nalen Vergleich. Doch dabei werden monetäre Schätzungen und nicht bauliche Qualitäten verglichen. Zu letzteren wissen wir fast nichts, aber wir fühlen uns irgendwie schlecht, wenn ein schlecht isoliertes Gebäude in London doppelt so teuer ist wie ein gut isoliertes Gebäude in Böblingen. Warum eigentlich?

Diese Beispiele sollen illustrieren, dass Daten manchmal ergänzt (1), neu zusammengestellt (2), neu untersucht (3) und neu erhoben werden müssen (4). Erst dann sind wir Datenmana-ger und nicht nur Datensklave. Das darf auch dazu führen, dass wir schicke Datensätze manchmal ignorieren müssen, weil sie für eine konkrete Fragestellung irrelevant (geworden) sind.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: SPH Newsletter Nr. 51, Mai 2017, Seite 24.


Prof. Dr. Tobias Just (FRICS)
Prof. Dr. Tobias Just (FRICS) ist Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie und Lehrstuhlinhaber für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

IREBS Immobilienakademie GmbH
Kloster Eberbach
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