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IREBS Standpunkt Nr. 56

Ausblick für die deutschen Immobilienmärkte 2017: Die Unsicherheit wächst

Die deutsche Wirtschaft ist weiterhin in einer guten Verfassung: Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im laufenden Jahr um preisbereinigt fast 2 % zulegen. Die Arbeitslosenquote ist 2016 auf nahezu 6 % und damit fast auf die Hälfte des Wertes von 2005 gefallen. Die Unternehmen schätzen ihre Geschäftslage im Rahmen der Geschäftsklimabefragung des ifo-Instituts auch im Oktober 2016 überwiegend als gut ein.

Zuletzt legte sogar die Erwartungskomponente in diesem Klimaindex wieder deutlich zu, nachdem sie das gesamte Jahr 2016 unentschlossen zwischen Auf- und Abschwungsignalen oszillierte. Für 2017 rechnen die meisten Konjunkturforscher damit, dass sich der Aufschwung mit nur leichten Bremsspuren fortsetzen wird.

Doch dieser Aufschwung ist keineswegs risikofrei: Chinas Wirtschaftswachstum bleibt weiterhin deutlich unterhalb des langjährigen Mittelwerts, die Eurolandkrise ist nicht abgehakt, der Brexit ist zwar beschlossen, aber in seinen Auswirkungen noch nicht ansatzweise durchdeklinierbar, geopolitische Unsicherheiten bleiben mit der Ukraine-Krise, dem Syrien-Konflikt und den autoritären Entwicklungen in der Türkei sozusagen direkt in Europas Vorgärten sehr hoch. Die aus diesen geopolitischen Verwerfungen resultierenden Migrationsbewegungen lassen sehr unterschiedliche Szenarien zu.

Und zu diesem Kuddelmuddel von Einflussfaktoren stellen sich mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten zahlreiche Fragen zu seinen konkreten wirtschafts- und außenpolitischen Weichenstellungen. Am wahrscheinlichsten dürften binnen-wirtschaftliche Konjunkturprogramme und vereinzelte Abschottungsmaßnahmen für die US-Wirtschaft sein. Für die Immobilienwirtschaft in den USA wirkt dies isoliert betrachtet wahrscheinlich kurzfristig positiv. Die Auswirkungen für Europas Immobilienmärkte sind weniger eindeutig abzuleiten: Sollte die Trump-Administration tatsächlich staatliche Ausgaben erhöhen, Steuern senken und gleichzeitig Zölle erhöhen, dürfte dies im Trend die Inflation in den USA und auch in Europa ankurbeln und den Druck zu höheren Zinsen auf beiden Seiten des Atlantiks erhöhen.


Günstige Gemengelage

Insgesamt ist die gesamtwirtschaftliche Großwetterlage für Deutschland also gut bei anhaltend hoher Unsicherheit. Vielleicht könnte sich mehr Spielraum für steigende Zinsen in Euro-land ergeben.

Für die Immobilienwirtschaft ist diese Gemengelage im Saldo weiterhin positiv. Beginnen wir mit den Implikationen für die Wohnungsmärkte: Die stabile Wirtschaft sorgt sowohl für steigende Einkommen als auch für Zuwanderung nach Deutschland. Gerade in den Ballungsräumen und Universitätsstädten wird die Nachfrage nach Wohnraum hoch bleiben. Zwar sind die Fertigstellungszahlen in den letzten Jahren stetig gestiegen und dürften 2017 doppelt so groß ausfallen wie im Jahr 2009. Mit dann 270.000 würden jedoch auch 2017 immer noch zu wenige Wohnungen erstellt, um den akuten Mehrbedarf zu befriedigen.

Tatsächlich entspricht das für 2017 erwartete Fertigstellungsvolumen nicht einmal dem lang-jährigen Mittelwert für die letzten 25 Jahre. Es wird also trotz der deutlichen Belebung noch immer nicht genug gebaut in den meisten deutschen Städten. Daher werden die Mieten weiter steigen. Die Mietpreisbremse ändert nichts an der Knappheit, sie führt allenfalls dazu, dass die Mieterhöhungen verdeckt stattfinden oder dass Mietwohnungen in Eigentumswohnungen überführt werden. Dies bedeutet auch, dass die hohen Mieten in den Kernstädten zunehmend Nachfrage in Umlandgemeinden drängen werden.

Weil gleichzeitig die Anleihezinsen niedrig und die Unsicherheiten hoch bleiben, dürfte auch die Begeisterung von privaten und institutionellen Anlegern für deutsche Wohnimmobilien ausgeprägt bleiben. Seit 2009 stiegen die Wohnungspreise in deutschen Städten in jedem Jahr schneller als die Mieten. Dies gilt zwar nicht für jede einzelne Stadt Deutschlands, aber für die meisten Städte und im Durchschnitt auch für alle. Die Mietrendite, die Relation aus aktueller Miete und vereinbartem Kaufpreis, sank bereits 2015 in jeder 3. deutschen Stadt auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. In einem weiteren Drittel aller Städte liegt die Mietrendite nicht mehr als 20 Basispunkte oberhalb des Tiefstwertes.

Es ist also vielerorts sehr schwer geworden, einen Kaufpreis aus möglichen Mieteinnahmen (oder gesparter Miete) zu erwirtschaften. Auch die Erschwinglichkeit, gemessen als Relation aus Kaufpreis und verfügbaren Einkommen eines Haushalts, hat sich in den meisten deut-schen Städten spürbar verschlechtert. Für die besonders attraktiven Großstädte wie München, Berlin, Hamburg, Frankfurt sowie für zahlreiche Universitätsstädte hat sich die Erschwinglichkeit stärker verschlechtert als in den USA vor der Finanzkrise. Auch die Mietrenditen fielen in den besonders begehrten Städten Deutschland in etwa so stark wie in den 10 größten Städten der USA in den Jahren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise.


Vorsicht behält die Oberhand

Haben wir in Deutschland also bereits eine spekulative Übertreibung auf den Wohnungsmärkten? Übertreibung ja, wenngleich nicht flächendeckend, spekulativ mit dem Beigeschmack der Irrationalität, eher nein. Letztlich drängen die niedrigen Anleihezinsen sowohl institutionelle als auch private Anleger, die eine Cash-Rendite benötigen, regelrecht in die Immobilienmärkte. Trotz des starken Rückgangs der Mietrendite fällt diese eben weiterhin spürbar höher aus als die Anleihezinsen. Für private Käufer kommt noch immer hinzu, dass die niedrigen Zinsen auch bedeuten, dass die Finanzierungslast trotz der steigenden Preise noch immer besser zu heben ist als vor 10 Jahren. Hinzu kommt, dass eben nicht übermäßig spekulativ gebaut wird, anders als in Spanien, Irland oder den USA bis 2006. Noch überwiegen also vorsichtige Kaufleute, die sich mit weniger Cash-Rendite zufrieden geben müssen auf den deutschen Wohnungsmärkten, und nicht die Zocker.

Doch sollte eines der Risikoszenarien, z.B. die Abkühlung Chinas, steigende Zinsen, weniger Zuwanderung, stärker ausfallen als aktuell eingepreist, dann ist die Aussage, es gäbe „nur“ nachvollziehbaren Überschwang natürlich kein hinreichender Schutz vor sinkenden Wohnungspreisen. Kurzum, für 2017 ist eher mit weiter steigenden Preisen zu rechnen, doch dadurch werden die Rückschlagrisiken eher zunehmen.


Positiver Sog für Gewerbeimmobilien

Ähnliches lässt sich für die Gewerbeimmobilienmärkte sagen: Auch hier begünstigt das aktuelle gesamtwirtschaftliche Umfeld die Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen, und auch hier sind die Preise in den letzten Jahren spürbar stärker gestiegen als die Mieten, so dass die Mietrenditen für sehr viele Gewerbeimmobilienmärkte historische Tiefststände erreicht haben. Objekte mit bonitätsstarken Mietern in den Innenstädten landen immer selte-ner auf den Transaktionsmärkten. Wer solch eine als besonders sicher empfundene Immobilie im Portfolio hat, gibt sie ungern wieder her. Zwar ließen sich hohe Wertzuwächse realisieren, doch so lange die potenziellen Verkäufer nicht wissen, was sie mit den Einnahmen machen, unterbleibt der Verkauf. So drängen Investoren im Anlagenotstand in kleinere Städte und in riskantere Teilmärkte. Gerade Betreiberimmobilien profitierten von dieser Umschichtung. Dort ist immer dann Vorsicht geboten, wenn die Käufer noch nicht über Erfahrung mit solchen Spezialimmobilien verfügen.

Alles in allem könnte 2017 noch ein gutes Immobilienjahr werden. Doch Anleger müssen die anwachsenden Risiken sehr ernst nehmen und einen Liquiditätspuffer für steigende Zinsen einplanen.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: finanzwelt, Special Edition Sachwertinvestments und Immobilien,  Ausgabe 06/16, Seite 18-20.


Prof. Dr. Tobias Just (FRICS)
Prof. Dr. Tobias Just (FRICS) ist Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie und Lehrstuhlinhaber für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

IREBS Immobilienakademie GmbH
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