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IREBS Standpunkt Nr. 51

Energiewende im Wärmemarkt: zwischen Ordnungsrecht und Subventionen

Die Energiewende stellt Deutschland vor gewaltige Herausforderungen. So sollen bis 2050 die hiesigen Treibhausgasemissionen um 80 bis 95% gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. In den vergangenen 25 Jahren gingen die Emissionen „nur“ um gut 27% zurück. Daher müssten die Anstrengungen in den nächsten Jahrzehnten deutlich erhöht werden, um das angestrebte Klimaziel zu erreichen. Ein anderes Ziel der Bundesregierung bezieht sich auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Beispielsweise soll der Anteil der Erneuerbaren am Bruttoendenergieverbrauch bis 2050 von zuletzt rd. 14% auf dann 60% zulegen. Darüber hinaus existieren für die Stromerzeugung, den Verkehrssektor und den Wärmemarkt spezifische Ausbauziele.

Zieht man hinsichtlich des Anteils der Erneuerbaren am Energieverbrauch ein Zwischenfazit, dann ist die Energiewende in Deutschland bislang vor allem eine Stromwende; im Stromsektor liegen die Erneuerbaren derzeit über dem Soll. Der Anteil am Bruttostromverbrauch lag 2015 bei 32,6%; 2005 waren es erst gut 10%. Diesen Anstieg ermöglichte die Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000. Es hat vor allem in der Windkraft und Fotovoltaik einen Ausbau der erneubaren Stromerzeugungskapazitäten bewirkt. Diese „neuen“ erneuerbaren Energien spielen jedoch im Wärmemarkt und auch im Verkehrssektor bislang noch keine große Rolle; dies gilt letztlich auch für den Primär- und den Endenergieverbrauch. So lag der Anteil der Windkraft und der Fotovoltaik am Primär-energieverbrauch 2015 erst bei 3,7%. Unter den erneuerbaren Energien dominieren außerhalb des Stromsektors (vor allem bei Wärme und Verkehr) bislang ganz eindeutig die Bioenergien, z.B. Holz und Holzpellets sowie Biokraftstoffe. Das Potenzial der Bioenergien ist aber in Deutschland und auch global eng begrenzt. Daher setzt die Bundesregierung ausdrücklich überwiegend auf einen weiteren Ausbau der Windkraft sowie der Fotovoltaik.

Diese Fokussierung auf Windkraft und Solarenergie bedeutet letztlich, dass der Wärmemarkt und auch der Verkehrssektor in den nächsten Jahrzehnten zunehmend elektrifiziert werden müssen. Dies ist zwar ein erklärtes politisches Ziel, aber dessen Erreichen zu beschwören, ist leichter als die Umsetzung in der Praxis. Folgende Zahlen können dies illustrieren: 2015 erfolgte die Wärmeversorgung lediglich in 4,5% der Wohnungen in Deutschland durch Strom oder Elektro-Wärmepumpen. Es dominierten Gas (49,3%), Heizöl (26,5%) und Fernwärme (13,6%). Zwar lag 2015 der Anteil der Elektro-Wärmepumpen an den Beheizungssystemen von neuen Wohnungen bereits bei 20,9%; seit einigen Jahren nimmt deren Anteil bei Neu-bauten jedoch wieder leicht ab. Zudem beträgt der Anteil der neuen Wohnungen am gesamten Wohnungsbestand lediglich 0,7% (2015), weshalb strukturelle Veränderungen im Bestand ohnehin viel Zeit benötigen – insbesondere wegen der Langlebigkeit von Gebäuden und Heizungsanlagen. Selbst bei Neubauten dominiert nach wie vor Gas (49,8%). Immerhin spielt Heizöl (0,6%) bei neuen Wohngebäuden kaum noch eine Rolle als Energieträger. Die Fernwärme kommt hier auf 20,4%.

Die weitgehende Umstellung der Energieversorgung des Wärmemarktes auf Strom gelingt nur, wenn in den nächsten Jahren massive Investitionen in den Gebäudebestand getätigt werden. Ob sich diese Investitionen für den jeweiligen Entscheidungsträger rechnen, ist nicht per se gewährleistet und hängt von vielen unsicheren Faktoren ab (z.B. Strom- vs. Gaspreis; technischer Fortschritt bei CO2-freien Heizungssystemen). Voraussichtlich bedarf es also zusätzlicher staatlicher Regulierung. Wie diese aussehen könnte, verdeutlicht ein Gastbeitrag von BMWi-Staatssekretär Rainer Baake in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 17.03.2016. Darin schlägt Baake vor, dass schon ab 2030 im deutschen Wohnungsbestand (also inklusive Renovierungsmaßnahmen) keine Heizungssysteme mehr verbaut werden dürfen, die auf fossilen Energien basieren. Wenn man bis 2050 einen CO2-neutralen Gebäudebestand anstrebe, müsse mit der Umrüstung auf erneuerbare Energien entsprechend früh begonnen werden.

Ein schon in 15 Jahren geltendes generelles Verbot von Heizungssystemen, die auf fossilen Kraftstoffen basieren, wäre ein starker Eingriff in die Eigentumsrechte und Wahlfreiheiten der privaten Haushalte sowie in unternehmerische Entscheidungen. Da hiervon breite Bevölkerungsschichten und viele Unternehmen betroffen wären, stellt sich die Frage, ob solche Vorschläge politisch mehrheitsfähig sind. Statt des Ordnungsrechts könnte der Staat auch versuchen, den Strukturwandel hin zu einem (weitgehend) CO2-neutralen Gebäudebestand durch Subventionen zu bewirken. In Abhängigkeit von der Förderhöhe würde dies die öffentliche Hand aber stark belasten. Schließlich gibt es in Deutschland derzeit mehr als 40 Mio. Wohnungen im Bestand, von denen die wenigsten wirklich CO2-neutral sind. Je nach Instandsetzungs- bzw. Renovierungsbedarf dürften sich die notwendigen Investitionskosten schnell auf mehrere zehntausend Euro pro Wohngebäude summieren. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass der technische Fortschritt in den nächsten Jahren so schnell voran-schreitet, dass sich klimafreundliche, bestenfalls CO2-neutrale Technologien im Wärmemarkt aus rein wirtschaftlichen Überlegungen durchsetzen. Ob dies jedoch auf breiter Front und vor allem schnell genug geschieht, um den Gebäudebestand umzurüsten, ist aus heutiger Sicht fraglich.

Skepsis überwiegt auch aufgrund der Tatsache, dass die energetische Sanierungsrate im Gebäudebestand in Deutschland in den letzten Jahren lediglich bei rd. 1% pro Jahr lag. Diese niedrige Quote lässt sich u.a. dadurch erklären, dass sich aus Sicht vieler Hauseigentümer eine umfangreiche energetische Sanierung nur dann lohnt, wenn ohnehin Renovie-rungsmaßnahmen am Gebäude anstehen. Gerade für ältere Hauseigentümer liegt der Amor-tisationszeitpunkt solcher Investitionen häufig zu spät in der Zukunft. Für Wohnungsgesell-schaften und private Vermieter besteht darüber hinaus das Risiko, die Investitionskosten nicht in ausreichendem Maße auf die Miete aufschlagen zu können. In manchen Regionen könnte auch darin ein Engpass liegen, dass Handwerksbetriebe nicht über genügend freie Kapazitäten verfügen, um mehr (energetische) Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.

Alles in allem wird deutlich, dass es leichter ist, langfristige klimapolitische Ziele zu formulie-ren, als kurz- und mittelfristig entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen, ohne die Marktakteure durch ordnungspolitische Eingriffe zu überfordern oder umfangreiche Subven-tionen gewähren zu müssen. Dieses Dilemma dürfte vorerst nur schwer zu lösen sein. Für Investoren (nicht nur) aus der Immobilienwirtschaft ist es lohnenswert zu prüfen, welche der vielen bereits existierenden Förderprogramme zur energetischen Sanierung von Gebäuden für eigene Investitionsvorhaben beantragt bzw. genutzt werden können. Natürlich ist es auch ratsam, geplante ordnungsrechtliche Vorgaben – etwa die Energieeinsparverordnung – im Auge zu behalten, da sie einen erheblichen Einfluss auf die Baukosten haben können.

Mehr zum Thema Energiewende von Autor Eric Heymann unter https://www.dbresearch.de/PROD/RPS_DE-PROD/HIDDEN_GLOBAL_SEARCH.alias


Eric Heymann
Director | Senior Economist, Sectors Technology, Resources, Deutsche Bank AG

Eric Heymann ist Senior Economist bei Deutsche Bank Research in Frankfurt am Main. Er beschäftigt sich mit volkswirtschaftlichen Entwicklungen auf Branchenebene und  ist Autor des Berichts „Deutsche Energiewende: Zielverfehlungen in Sicht“.

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