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IREBS Standpunkt Nr. 42

Vermietung zur Unterbringung von Flüchtlingen – regelungsbedürftige Aspekte im Mietvertrag

I. Einleitung
Die zahlreichen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, stellen Bund, Länder und Gemeinden vor erhebliche Probleme. In den bevorstehenden Wintermonaten steht vor allem die angemessene Unterbringung von Flüchtlingen an. Hierbei sind Bund, Länder und Gemeinden gesetzlich gehalten, zunächst auf eigene Gebäude und Flächen zurückzugreifen. Eine Beschlagnahme von leer stehenden Gebäuden kommt nur im Ausnahmefall in Betracht; dies dann, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist und eine Gefahr im Verzug besteht. Erforderlich ist also ein „polizeilicher Notstand“. Deshalb gehen Städte und Kommunen auch vermehrt auf Eigentümer leer stehender Gebäude zu, um Mietverträge für die Unterbringung von Flüchtlingen abzuschließen.

II. Ausgestaltung des Mietvertrages
Für den Vermieter gelten dann bei der Ausgestaltung des Mietvertrages die folgenden Besonderheiten:

1. Öffentlich-rechtliche Vorgaben
Nicht selten halten (alte) leer stehende Gebäude nicht die (aktuellen) öffentlich-rechtlichen Vorgaben – gerade für die Unterbringung einer Vielzahl von Menschen – ein. Dies kann zur Mangelhaftigkeit des Mietobjekts führen und Gewährleistungsansprüche des Mieters eröffnen. Denn es ist grundsätzlich Sache des Vermieters, die für die Nutzung der Mietsache zu dem vereinbarten Gebrauch (Unterbringung von Flüchtlingen) erforderlichen Bau- und Nutzungsgenehmigungen zu beschaffen und einzuhalten, da er seine Verpflichtung zur Gebrauchsgewährung ohne diese Genehmigungen gar nicht erfüllen könnte. Öffentlich-rechtliche Vorgaben und Anforderungen können sich aus folgenden Bereichen ergeben[1]:

a) Überblick

Für den Vermieter ist es häufig nicht leicht erkennbar, welche behördlichen Genehmigungen, Erlaubnisse und eventuelle Auflagen und Nebenbestimmungen für die vertragliche Nutzung (Unterbringung von Flüchtlingen) im Einzelnen erforderlich sind. Besonders problematisch sind nicht selten Brandschutzauflagen.[2]

b) Haftungsfreistellungen
Vermieter sollten daher bei Abschluss eines Mietvertrages mit einer Stadt/Kommune über ein Flüchtlingsheim auf entsprechende Haftungsfreistellungen für öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Vorgaben, etc. achten. Vertragliche Haftungsausschlüsse, wonach der Mieter (Stadt/Kommune) das (alleinige) Risiko der Einholung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Genehmigungen trägt, sind allerdings nur im Rahmen einer Individualvereinbarung möglich.[3] Gerade Vermieter, die mehrere Mietverträge über verschiedene Flüchtlingsheime schließen und die einen entsprechenden Haftungsausschluss mehrfach verwenden bzw. zu verwenden beabsichtigen, laufen dann Gefahr, dass der Haftungsausschluss zu einer „Allgemeinen Geschäftsbedingung“ und damit unwirksam wird.[4]
Erforderlich ist in diesen Fällen, dass der Haftungsausschluss individuell ausgehandelt wird. Hieran sind hohe Anforderungen zu stellen. Von einem Aushandeln wird (nur) dann ausgegangen, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung abändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.[5]
Dem abgeschlossenen und unterschriebenen Mietvertrag lässt sich in der Regel nicht entnehmen, welche Klauseln im Einzelnen individuell ausgehandelt worden sind und welche nicht. Die nicht selten anzutreffende (Formular-)Klausel, dass die „einzelnen Klauseln im Mietvertrag individuell ausgehandelt sind“, ist als solche für die Einordnung als Individualvereinbarung unbeachtlich.[6]  Den Vertragsparteien ist daher zu empfehlen, die Vertragsentwürfe und Korrespondenz hierüber aufzuheben und das Aushandeln des Haftungsausschlusses zu dokumentieren.

2. Zivilrechtliche Vorgaben
Hat der Vermieter also zum einen auf Haftungsfreistellungen zu achten, sollte er zum anderen auch auf Haftungsansprüche für verursachte Schäden drängen, die durch die Flüchtlingsunterbringung hervorgerufen werden. Vertragspartner des Vermieters ist in der Regel die Stadt/Kommune als Mieter. Tatsächliche Nutzer des Mietobjekts sind die Flüchtlinge. Im Mietvertrag sollte deshalb vorgesehen werden, dass der Mieter für sämtliche Schäden ein-zustehen hat, die durch den besonderen Mietzweck (Unterbringung von Flüchtlingen) entstehen.
Formulierungsvorschlag:
„Der Mieter haftet für Schäden, die durch den Mieter, seine Angestellten und die von ihm beauftragten Handwerker, sonstige Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfen, Lieferanten und andere zu ihm in Beziehung stehenden Personen, insbesondere die tatsächlichen Nutzer des Mietobjekts, schuldhaft am Mietobjekt verursacht werden.“

III. Ausblick
In der Praxis ist zunehmend zu beobachten, dass Kommunen und Städte den Weg einer „freiwilligen“ Vermietung von leer stehenden Gebäuden gehen, um Flüchtlinge gut unterzubringen. Hierbei sind Städte und Kommunen auch bereit, dem Vermieter vertragliche Risiken abzunehmen. Dieser Weg ist zu begrüßen, um „politisch bedenkliche Spannungen“ im Verhältnis zu anderen Gruppen, die ebenfalls auf bezahlbaren Wohnraum dringend angewiesen sind, zu verringern.

 

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[1] Vgl. hierzu Burbulla, Aktuelles Gewerberaummietrecht, 2. Aufl. 2014, Kap. G, Rdn. 52 ff.

[2] Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24.04.2012 – 10 B 382/12, BauR 2012, 1234.

[3] BGH, Urt. v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, ZMR 2008, 274.

[4] Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 24.10.2007 – ZR 24/06, ZMR 2008, 774; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.04.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21. Eingehend: Leo/Ghassemi-Tabar, AGB im Gewerberaummietrecht, 2. Aufl. 2014, II. Teil, Rdn. 23 ff.

[5] BGH, Urt. v. 05.03.2013 – VIII ZR 137/12, NZM 2013, 307 m.w.N.

[6] BGH, Urt. v. 15.12.1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624, 625; OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.06.2015 – 2 U37/14, MDR 2015, 1173.

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