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IREBS Standpunkt Nr. 32

Verständnis für Immobilienmärkte stärken

Menschen nehmen jeden Tag an Marktprozessen teil. Wir kaufen Milch und Brot, wir schließen einen Vertrag für einen Mietwagen oder buchen einen Wochenendurlaub auf Sylt. Dabei vergleichen wir zahlreiche Angebote und Preise, bewerten implizit Ausstattungsmerkmale von Hotels oder Autoklassen und bilden unser Urteil über die eigene Zahlungsbereitschaft. Man müsste annehmen, dass wir durch all diese Transaktionen fit sind in Fragen der Marktwirtschaft: Wie bilden sich Preise aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage?

Doch wie ist es tatsächlich um diese Fitness bestellt? Dafür suchen Wissenschaftler in den letzten Jahren nach einem geeigneten Maßstab, um das finanzwirtschaftliche Verständnis von Marktakteuren zu erfassen. Ein Standard für diese Vermessung hat sich zwar noch nicht herauskristallisiert, doch die vorliegenden Ergebnisse weisen alle in dieselbe Richtung: Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung hat unzureichendes finanzwirtschaftliches Rüstzeug, um qualifizierte Entscheidungen auf Finanzmärkten zu treffen. In einem Seminar der IREBS an der Universität Regensburg haben wir kürzlich danach gesucht, ob sich auch über das immobilienwirtschaftliche Verständnis in der Bevölkerung Aussagen treffen lassen. Das ernüchternde Ergebnis war, dass hier nicht nur ein standardisierter Maßstab fehlte, es schien, als hätte die Suche danach noch überhaupt nicht begonnen.

Die Immobilie ist für die allermeisten Menschen die größte einzelne Investition ihres Lebens; es ist die einfachste Möglichkeit für private Anleger mit Fremdkapital große Investitionen zu tätigen und die Standortabhängigkeit sowie die unterschiedlichen Immobilientypen rufen nach regionaler und assetspezifischer Expertise. Doch letztlich haben wir nur völlig unzureichende Einsicht, ob die Immobilienanleger wirklich wissen, was sie tun.

Viele Menschen scheinen sich aus Halbwissen, Vorurteilen und Binsenweisheiten ein bröckeliges Fundament für ihr Immobilienmarktverständnis gemauert zu haben. Dies zeigte kürzlich mittelbar eine Reportage auf hr info. Darin wurde über das auslaufende Casa-Programm der Fraport AG berichtet. Mit diesem Programm hat der Betreiber des Frankfurter Flughafens Menschen, die quasi im Auge des Fluglärmsturms wohnen, angeboten, ihre Häuser für einen festen Preis abzukaufen.

Im Mittelpunkt der kurzen Reportage stand die Geschichte einer betroffenen Familie, die ihr Haus in Flörsheim verkaufen wollte. Sie bat einen Makler um eine Einschätzung. Dieser schätzte, dass das Preisangebot von Fraport um 20% unterhalb des Marktwertes läge. Unverschämt, war man geneigt zu rufen. Doch dann erzählte die Familie, dass sie es zwei Jahre vergeblich versucht hat, ihr Objekt zu dem vermeintlich richtigen „Marktpreis“ zu verkaufen. Niemand wollte das Haus zu dem höheren Preis mitten in der Einflugschneise erwerben. Hoppla. Dann war das erste Preisangebot wohl doch keine Unverschämtheit, sondern lag möglicherweise näher am Marktpreis als die Maklerschätzung. Ein Markt benötigt halt immer Angebot und Nachfrage – ohne Nachfrage, kein Markt und ohne Markt, kein Preis.

Es ist wichtig, dass Immobilienanleger verstehen, dass sich der Wert eines Objektes nicht in erster Linie nach den Kosten des Ausbaus, der Hochwertigkeit der Kachelöfen oder der geförderten Energieeffizienzmaßnahme richtet, sondern einzig und allein danach, was künftige Nutzer bereit sind, für das konkrete Objekt zu zahlen. Würde das reine Kostenprinzip auf Märkten gelten, gäbe es weder einen Markt für Sammler-Briefmarken, noch einen für Kunstwerke und wohl auch keinen für Gucci-Handtaschen – zumindest nicht zu den aktuell vereinbarten Preisen.

Es mag trivial klingen, doch die Reportage des Senders zeigte, dass offenbar der Makler den Markt falsch eingeschätzt hat, dass sich die Eigentümer auch nach zwei Jahren erfolgloser Suche nach einem Kaufinteressenten mit dem vermeintlich zu geringen Angebot betrogen fühlten und, dass dieser Eindruck auch im Bericht nicht hinreichend gerade gerückt wurde. Ließe sich dieses Beispiel verallgemeinern, müsste man schlussfolgern, dass bei einigen Immobilienmarktprofis, bei privaten Kleinanlegern und bei einigen Mediendarstellungen noch tiefes immobilienmarktwirtschaftliches Verständnis fehlt. Solch Verständnis ist aber wichtig für den Vermögensaufbau. Wenn für private Haushalte die Immobilienanlage 50 % ihres Vermögens ausmacht und die direkte Aktienanlage weniger als 10 %, so sind immobilienwirtschaftliche Fehler nun einmal fünfmal schmerzhafter für die eigene Rentenvorsorge als Fehler bei der Aktienanlage – und hierbei wurde das Thema Finanzierung sogar noch ausgeklammert. Doch es geht bei dem trockenen Thema „Marktverständnis“ um mehr als nur Euro und Prozente: In dem konkreten Fall hätte die Familie schon zwei Jahre früher außer-halb der sie störenden Einflugschneise wohnen können. Die damit implizit getragene Last wurde ganz geflissentlich ausgeblendet.

Die Beobachtungen aus dem Seminar und die gehörte Reportage lassen drei weiter gehende Schlussfolgerungen zu: Erstens ist es wohl notwendig, dass jene, die den größten Teil ihres Vermögens an ein einziges Asset binden, besser auf diese Entscheidung vorbereitet werden. Das Schaffen einer eigenen Bewertungskompetenz für viele dürfte einer noch so scharfen Beratungshaftung überlegen sein. Dies könnte zweitens implizieren, dass wir eine funktionierende Finanz- und Immobiliengrundausbildung (in Schulen) benötigen. Drittens schiene es sinnvoll, dass man eine Mindestqualifikation für Makler oder wenigstens eine Ausweispflicht über die Qualifizierung (eine Art Qualifizierungsampel) einführt.

 

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