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IREBS Standpunkt Nr. 28

Mietpreisbremse: Droht den Mietern ein neuer Kobra-Effekt?

Die Mieten in vielen deutschen Städten sind in den letzten Jahren deutlich schneller gestiegen als die verfügbaren Einkommen. Setzt man beispielsweise die Wohnungsmieten in den A-Städten in Relation zu der dort jeweils bestehenden Kaufkraft, zeigt sich, dass dieser Indikator seit 2007 für alle Städte stetig angestiegen ist – auf aktuell fast 10% oberhalb des Mit-telwertes der letzten 20 Jahre. Dies ist sicherlich eine deutliche Verschlechterung für Mieterhaushalte gegenüber 2007, im Vergleich zur Mitte der 1990er Jahre ist Mieten jedoch selbst in den A-Stadtlagen noch erschwinglich.

Gleichwohl ist es sinnvoll, die Verknappungssignale der Mietdynamik ernst zu nehmen, denn Wohnen ist ein sehr sensibles und volkswirtschaftlich bedeutsames Gut. Mieten steigen, wenn Wohnraum knapp wird. Diese Knappheit ist unter anderem dadurch entstanden, weil in den letzten drei Jahren etwa eine Million Menschen netto nach Deutschland eingewandert sind und weil die gute Arbeitsmarktlage zu Einkommenszuwächsen führte. Nicht zuletzt die OECD hat wiederholt in ihren Studien darauf aufmerksam gemacht, dass die Angebotselas-tizität des deutschen Wohnungsmarkts, also die Reaktionsgeschwindigkeit des Angebots auf Preisänderungen, im internationalen Vergleich auch aufgrund des bereits stark regulierten Mietmarktes sehr gering ist. Es wäre daher wichtig, diese Angebotselastizität zu erhöhen, wenn man feststellt, dass es Knappheit gibt.

Insofern ist die Mietpreisbremse natürlich das falsche Instrument. Sie gibt keine zusätzlichen Anreize, in Neubau zu investieren, auch wenn sie nur für Bestandsmieten gilt. Vor allem vernebelt sie den eh schon intransparenten Wohnungsmarkt. Die Miethöhe ist der Stand auf der Fieberkurve des Wohnungsmarktes. Wenn das Fieber steigt, und das tut es eben unzweifelhaft, dann ist ein Zerbrechen des Fieberthermometers der falsche Weg. Auch wenn die Maßnahme irgendwie beruhigt, so setzt sie eben nur an den Symptomen, nicht an den Ursachen an. Nun müssen die Regulatoren gleich in dreifacher Hinsicht genauso klug sein wie der Markt und zwar in jeder Stadt und in jedem Jahr aufs Neue: Erstens müssen sie sich einigen, ab wann ein Markt als nachhaltig gestört gilt und folglich Eingriffsberechtigung erteilt werden kann. Zweitens müssen sie in späteren Jahren die Möglichkeit haben, ohne Preissignale das mögliche Ende der Knappheit zu bestimmen und drittens müssen zusätzliche Regeln vereinbart werden, um Ausweichstrategien von renditeorientierten Investoren abzumildern – also zum Beispiel die mögliche Senkung von Instandhaltungsinvestitionen oder vermeintlich notwendige Abstandszahlungen für zufällig in der Wohnung stehende Couchgarnituren.

Bevor man jedoch das Ende des deutschen Wohnungsbaus befürchtet, sollte man sich zurücklehnen und nachdenken. So schlimm werden die Verwerfungen wahrscheinlich gar nicht, denn das Gesetz tritt ja erst im Anschluss an eine dann mindestens sechsjährige Erholungsphase auf den Wohnungsmärkten in Kraft. Die Mieten in Berlin sind seit 2008 um 6,7% pro Jahr gestiegen, in Hamburg und in Frankfurt um jeweils 5% und in Düsseldorf um rd. 6% pro Jahr. Solange der Gesetzgeber nicht vereinbart, dass es Mietsenkungen geben muss, stehen Investoren mit Blick auf die Mieteinnahmen also deutlich besser da als vor dem Aufschwung – Mietpreisbremse hin oder her. Das gilt auch für den Bestandswohnungsmarkt. Vor allem bietet die Mietpreisbremse eine Chance von unerwarteter Seite: Dadurch dass sie nicht flächendeckend eingeführt werden kann, sondern nur in vermeintlich besonders belasteten Regionen; wird sie in ein paar Jahren ermöglichen, dass Wissenschaftler systematisch mit den (In-)Effizienz-wirkungen solcher Politikmaßnahmen analysieren können. Für die USA konnten die Ökonomen Glaeser und Luttmer vor rund zehn Jahren das Ausmaß der Fehlallokation durch Preisregeln gerade deswegen so genau schätzen, weil die Regelungen nicht national einheitlich eingeführt worden waren.

Natürlich sollten Investoren vorsichtig mit der Erwartung sein, dass es tatsächlich ein planmäßiges Ausphasen des Gesetzes geben wird; vom Medianwähler goutierte Maßnahmen erleben häufig eine unerwartete Persistenz. Und natürlich dürfte es auch Städte geben, wo die Mietpreisbremse bereits angezogen wird, auch wenn noch kein tragfähiges Konzept für Angebotsausweitungen vorliegt. Dennoch dürfte die größte Gefahr des Gesetzes wohl darin liegen, dass Investoren überreagieren und aus übertriebener Furcht ihre Investitionen zurückstellen. Dann kann es passieren, dass die Maßnahme, die dafür sorgen sollte, dass die Verspannungen auf den Wohnungsmärkten abnehmen, genau das Gegenteil bewirken, so ähnlich wie die Geldprämie der Briten während der Kolonialzeit in Indien für jede getötete Kobra nur dazu geführt hatte, dass clevere Inder Kobras züchteten. Manchmal wirkt eben der Kobraeffekt, dann bewirkt ein Instrument das Gegenteil von dem intendierten Effekt.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: Immobilien und Finanzierung, 8/2014, S. 236

Interessierte Leser möchten wir auch auf den folgenden Beitrag verweisen, in dem Tobias Just die wohnungspolitischen Akzente der GroKo kommentiert: Just, T. (2014). Asymmetrien in der Wohnungspolitik reduzieren, in Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 1/2014, S. 63-73.

 

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