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IREBS Standpunkt Nr. 25

Keine Blase, das Problem sitzt tiefer!

Die Preise auf den Wohnungsmärkten stiegen in den letzten vier Jahren spürbar schneller als in den Jahren zuvor. Die Bundesbank warnte im Herbst 2013 sogar vor spürbaren Übertreibungen in einzelnen Städten – auch wenn man sich scheute, das Wort „Blase“ auszusprechen. Warnung ist gut, Verunsicherung schlecht, ist das Motto.

Tatsächlich lässt sich noch immer für die meisten deutschen Wohnungsmärkte treffend argumentieren, dass die Entwicklung deutliche Unterschiede zu jener Entwicklung in den USA, Spanien oder Irland vor der Finanzkrise aufweist: Es gab hierzulande keinen Fertigstellungsboom, der Preisanstieg hat sich zwar beschleunigt, liegt aber weiterhin signifikant unter den Wachstumsraten der Vergleichsländer vor der Krise, die Mieten kletterten in den meisten deutschen Städten weitgehend im Gleichlauf mit den Preisen, und die deutschen Finanzierungsstrukturen sind stabiler als sie es in den USA im Jahr 2006 waren. All dies deutet darauf hin, dass der Preisboom auf dem Wohnungsmarkt zu großen Teilen durch einen Nachfrageanstieg begründet werden kann. Wir brauchen also vor allem mehr Wohnungen und nicht weniger Spekulanten.

Doch dies ist nicht der einzige Grund, warum die Diskussion um eine spekulative Blase auf den Immobilienmärkten zu kurz greift und die Entwarnung auch nur eine Entwarnung zweiter Klasse ist. Vergleicht man nämlich die Entwicklung der Wohnungspreise und -mietrenditen mit der Rallye auf den Aktienmärkten und dem Druck auf den Anleihemärkten, wird rasch deutlich, dass das eigentliche Problem tiefer sitzt: Der DAX notiert bei rund 9.500 Zählern, und mit zehnjährigen Staatsanleihen erzielt man gerade mal 1,8% Rendite, nominal versteht sich. Die mittleren Wertzuwächse auf den Wohnungsmärkten verhalten sich also einerseits bescheiden im Vergleich zum Aktienmarkt, und die Mietrenditen liegen andererseits deutlich oberhalb der Renditen von Staatsanleihen. Das bedeutet, aktuell erzielen Wohnimmobilien - gemessen durch die Differenz aus der Mietrendite einer durchschnittlichen Neubauwohnung und der Rendite einer 10-jährigen Staatsanleihe - einen Risikozuschlag von immerhin 200 Basispunkten; im Jahr 2007 lagen diese Werte quasi gleichauf und um die Jahrtausendwende lagen die Mietrenditen für neue Wohnungen sogar um rund 100 Basispunkte unter den Renditen für Staatsanleihen. Relativ gesehen, hat sich die Gefährdungslage auf den deutschen Immobilienmärkten sogar verbessert - nicht verschlechtert. Wer daher vor einer Übertreibung auf den Wohnungsmärkten warnt, sollte eine gute Antwort auf die Frage haben: „Wohin denn dann mit dem guten Geld?“ Die Strategie „Warnung ohne Verunsicherung“ lässt sich problemlos auf andere Anlageklasse übertragen.

All zu viel Sorglosigkeit darf man aus dieser Relativität auch für Immobilieninvestments nicht ableiten, und zwar aus drei Gründen: Erstens, sollte für die Aktien- oder Anleihemärkte eine Warnung zu spät kommen, hätte dies weitreichende gesamtwirtschaftliche und folglich auch immobilienwirtschaftliche Belastungen zur Folge. Zweitens ging eine wichtige immobilienmarktbezogene Nachricht in der täglichen Informationsflut fast unter, nämlich dass chinesische Versicherungen und Staatsfonds nun stärker in ausländische Immobilien investieren können. Das Gerangel um die besten Objekte in Europa und den USA wird also noch größer werden. Drittens erinnert die Konstellation von steigenden Aktienmärkten, steigenden Hauspreisen und (relativ) niedrigen Staatsanleihezinsen an das Jahr 2005 in den USA. Eine nationale spekulative Blase auf den Wohnungsmärkten haben wir wohl derzeit noch nicht, doch der Kapitalmarktcocktail, der derzeit durch immensen Anlagedruck angerührt wird, sollte auch von Immobilienmarktakteuren mit Argusaugen beobachtet werden. Selbst im günstigen Szenario ist mit niedrigen Cashflow-Renditen zu rechnen.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: Just, Tobias: Gefährlicher Cocktail. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Immobilienbrief, 2014, Nr. 14, S. 41

 

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