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IREBS Standpunkt Nr. 20

Offener Immobilienfonds – Quo vadis? Neuregelungen gemäß KAGB erzwingen Langfristigkeit der indirekten Immobilienanlage

Offene Immobilienfonds (OIF) sind ein in Deutschland beliebtes Anlagevehikel. Gleichwohl sind die Branche und die Anleger derzeit verunsichert. Im Zuge der Finanzkrise kam es zu vielen Fondsschließungen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich in jüngerer Zeit mehrfach geändert. Ein Ende dieser widrigen Umstände ist noch nicht absehbar. Der Gesetzgeber ist auch weiterhin berufen, die rechtliche Ausgestaltung OIF zu optimieren, um die diesem Anlageprodukt innewohnenden Funktionsdefizite noch weiter als bisher auszuräumen.

Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen
Das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vom 4. Juli 2013 bildet den vorläufigen Abschluss einer grundlegenden Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für OIF. Anlass hierfür ist die seit mehreren Jahren bestehende Illiquidität von Fonds. Viele Anleger können ihr Kapital nicht zurückerhalten, weil die Fondsgesellschaft die Immobilien nicht entsprechend verkaufen kann. Konsequenterweise mussten einige Fonds die Anteilsrücknahme aussetzen und werden abgewickelt.

Bereits 2011 hat der Gesetzgeber hierauf reagiert und den Rechtsrahmen für OIF partiell geändert. Im Kern zielte diese Reform darauf ab, die Rückgabemöglichkeiten für Anteilsinhaber ab einer Summe von 30.000 Euro einzuschränken. Im Zuge des neuen KAGB wurde dieser Weg ausgebaut. Ein erster Referentenentwurf sah noch ein generelles Verbot von OIF vor. Als Kompromiss ergab sich jedoch schließlich, dass OIF auch weiterhin erlaubt sind. Die Möglichkeit der Anteilsrückgabe wurde jedoch nunmehr zwingend für alle Anleger gleichermaßen eingeschränkt (Mindesthaltefrist von 24 Monaten, Kündigungsfrist von zwölf Monaten).

Die Fristeninkongruenz als Funktionsdefizit
Das Geschäftsmodell des Fonds ist regelmäßig das langfristige Halten und Verwalten eines Immobilienvermögens. Die Anleger dürfen jedoch in legitimer Weise darauf vertrauen, dass sie ihr investiertes Kapital auch unabhängig von einem Immobilienverkauf zurück erhalten können. Eine langfristige Investition in Immobilien wird somit kurzfristig finanziert. Aus dieser Fristeninkongruenz resultiert die Gefahr, dass das Liquiditätsinteresse der Anleger nicht befriedigt werden kann. Es kommt zum Aussetzen der Anteilsrücknahme bzw. zu Fondschließungen.

Die bisher beim OIF vorherrschenden Liquiditätsanforderungen sind eine sachwidrige Bewältigung des Problems der Fristeninkongruenz, denn sie relativieren die produktspezifische Investitionsentscheidung der Anleger. Diese wollen am Immobilienertrag partizipieren und das immobilienspezifische Verlustrisiko eingehen. Dem wird nicht entsprochen, soweit große Teile des Fondsvermögens in liquiden Bankguthaben, Geldmarktinstrumenten oder sonstigen Wertpapieren angelegt werden. Insofern können die Anleger auch unmittelbar eine Geldeinlage bei der Bank vornehmen oder einen Aktien- oder Geldmarktfonds zeichnen.

Es war daher konsequent, wenn der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, zwingend Mindesthalte- und Kündigungsfristen für alle Anleger vorzusehen. Hierdurch wird das kurzfristige Spekulieren verhindert und die indirekte Immobilienanlage zumindest ansatzweise auch in Bezug auf die einzelnen Anleger langfristig ausgerichtet. Künftige Anbieter und Anleger müssen und können diesen Paradigmenwechsel in ihre Bedürfnisse integrieren, insbesondere wenn es um die Eignung als Produkt für die private Altersvorsorge geht. Es ist jedoch dringend zu fordern, dass die Beratungspraxis diese nunmehr gesetzlich angelegte Langfristigkeit der OIF beherzigt und den Anlegern nicht unerfüllbare Liquiditätschancen suggeriert.

Weiterer Handlungsbedarf für den Gesetzgeber
Gleichwohl bieten auch diese Änderungen letztlich noch nicht ausreichend Schutz vor künftigen Liquiditätskrisen. Haltefristen und Kündigungserfordernisse können nämlich nicht verhindern, dass das Rückgabeverlangen der Anleger die Liquidität des OIF übersteigt. Der Gesetzgeber sollte daher weiterhin die Regelungen für OIF kritisch im Auge behalten und folgende weitere Verbesserungen umsetzen.

Liquiditätsorientierte Immobilienbewertung
Dies betrifft einmal die Immobilienbewertung. Zur Bestimmung des Fondsvermögens werden derzeit fiktive Marktwerte ermittelt, die nicht ausreichend die Realisierbarkeit dieser Werte am Markt berücksichtigen. Der einzelne Anleger hat hiernach gesetzlich legitimiert die berechtigte Erwartung, seinen Anteil zum entsprechenden Teil dieses Wertes zurückzugeben. Wenn aber die ausstiegswilligen Anleger als Erlös einen Anteil an einem derart ermittelten Wert aus der Barreserve erhalten, benachteiligt dies die im Fonds verbleibenden Anleger. Letztere tragen das konkrete Realisierungsrisiko der Immobilienveräußerung dann alleine. Künftig sollte daher die fortlaufende Immobilienbewertung stärker auf die Realisierbarkeit hin ausgerichtet werden. Dass es hierbei regelmäßig zu Abschlägen gegenüber den bislang ausgewiesenen Werten kommt, ist sachgerecht, weil die Rücknahmepreise dann zutreffender den Liquiditätsaspekt abbilden. Die Anleger, die ihre Anteile zurückgeben möchten, werden hierdurch sachgerecht behandelt, da ihr Liquiditätsinteresse bereits bei der Bewertung des Anteils berücksichtigt wurde. Die im Fonds verbleibenden Anleger werden hierdurch begünstigt, weil die Verwirklichung ihres Liquiditätsinteresses stärker an die Notwendigkeit der Veräußerung von Immobilienvermögen gebunden ist. Sie werden so vor der derzeit durchaus berechtigten Enttäuschung geschützt, dass die ausgewiesenen (hohen) Verkehrswerte bei der Anteilsrückgabe oder späteren Abwicklung nicht real erzielbar sind und sie damit „Abschläge“ hinnehmen müssen.

Etablierung eines funktionierenden Zweitmarkts für Fondsanteile
Die Einführung von Mindesthaltefristen und die Verbesserung der Immobilienbewertung sind jedoch noch nicht ausreichend, um das Problem der Fristeninkongruenz ausreichend zu beherrschen. Deshalb bedarf es zusätzlich der flankierenden Etablierung eines funktionierenden Zweitmarkts für Fondsanteile nach schweizerischem Vorbild. Dass hierin eine sachgerechte Lösung zu sehen ist, verdeutlicht eine Parallele zur Unternehmensfinanzierung bei der AG. Deren entscheidender Vorteil ist, dass die Aktionäre ihr Eigenkapital zurückerhalten, ohne dass das langfristig gebundene Gesellschaftsvermögen angetastet wird. Dieses muss nicht liquidiert werden, um das Rückzahlungsinteresse der Aktionäre zu befriedigen, weil der Vermögensfluss allein auf der Ebene der Anteilseigner erfolgt. Dieser Mechanismus ist auch auf Immobilienfonds übertragbar, was die REIT-AG eindrucksvoll beweist. Es bleibt daher spannend, inwieweit die aktuelle Diskussion um die Neuregelungen für OIF auch die Praxis veranlasst, diese durchaus bereit stehende Alternative stärker als bisher für die Kollektivanlage in Immobilien durchzusetzen.

Gegen die Etablierung eines Zweitmarkts spricht auch nicht, dass dann das Börsenrisiko mit zu tragen wäre, was die Anleger beim Immobilienfonds gerade nicht wollten. Zum einen ist bereits fraglich, ob dieses Börsenrisiko in Anerkennung der Langfristigkeit der Anlage überhaupt einen signifikanten Nachteil für die Anleger mit sich bringt. Zum anderen ist der Börsenhandel allgemein als ein sachgerechter Indikator für die Anteilsbewertung unter Einschluss des Liquiditätsaspekts zu sehen, so dass nicht einzusehen ist, warum dies beim Offenen Immobilienfonds anders sein sollte. Die vielfach behauptete Skepsis der deutschen Anleger vor einer Kapitalanlage an der Börse wird daher wohl vor allem vorgebracht, um das durchaus lukrative System des Erwerbs von Fondsanteilen mit Ausgabeaufschlägen nicht zu beeinträchtigen.

 

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