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IREBS Standpunkt Nr. 19

Corporate Governance: Warum dieses Thema gerade in der Immobilienwirtschaft so wichtig ist

Die Rahmenbedingungen für die Unternehmensführung sowie die Unternehmensfinanzierung von kapitalmarktorientierten Immobilienunternehmen haben sich in den letzten Jahre stark verändert und unterliegen weiterhin großem Wandel. Wichtige Katalysatoren dafür, dass der Begriff Corporate Governance (CG) zu Recht in allen Branchen an Bedeutung gewonnen hat, waren große Skandale wie jene von Enron oder Worldcom während des Dot-Com-Booms, das Zerbrechen wichtiger Vertrauensbeziehungen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise und viel grundsätzlicher die zunehmende Professionalisierung und Internationalisierung von Anlagekapital, das ein hohes Maß an Transparenz der Prozesse in Unter-nehmen anlegt. Die Immobilienwirtschaft konnte sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Zu Recht, denn gerade für institutionelle Immobilienmarktakteure ist eine gute CG sehr wichtig.

Zunächst aber allgemein: Was verbirgt sich hinter dem Begriff CG?
Letztlich geht es dabei um Grundsätze einer guten Unternehmensführung. Darunter versteht man eine nachhaltige Unternehmensleitung, dass die Interessen der Stakeholder gewahrt werden, dass die Aufsichtsgremien effizient mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten, dass die Kommunikation transparent erfolgt und dass keine unbotmäßigen Risiken eingegangen werden. Eine gute CG umschließt also die Felder Reporting, Finanzierung, Unternehmenskommunikation, Krisen- und Risikomanagement und basiert auf Grundsätzen einer zukunftsgerichteten Unternehmensethik.

Gerade für Immobilienunternehmen ist eine gute CG wichtig, denn Immobilienmärkte sind noch immer sehr intransparent.
Das fängt bei der Verfügbarkeit von Daten an, geht über die unzureichende Harmonie zwischen internationalen Immobilienmarktkennziffern und endet dabei, dass Immobilien nun einmal per se heterogen sind; jede Immobilie ist anders. Zusätzlich dazu entwickelt sich nur langsam ein internationaler Unternehmensstandard. Der REIT konnte sich in Deutschland bislang nicht etablieren, die Fondslandschaft wird sogar hierzulande gerade neu reguliert.

In solch einem Umfeld bietet eine gute CG einen verlässlichen Rahmen für Anleger.
Die Unsicherheit, die mit den skizzierten Marktunvollkommenheiten verbunden ist, wird reduziert. Nun lässt sich gerade auf intransparenten Märkten am leichtesten Geld verdienen; daher ist es hilfreich, der gesamten Branche einen gemeinsamen Kodex zu verordnen. Selbstregulierung funktionierte offenbar nur unzureichend wie gerade auch Skandale in der Immobilienwirtschaft und zuletzt die Verwerfungen der Finanzkrise, die ja auf den Immobilienmärkten und den Immobilienfinanzierungsmärkten begann, belegen.

So sehen einige Autoren die Hauptgründe für die Finanzkrise von 2008/2009 in dem Mangel an CG und einem verantwortungslosen Risk Management.
Ausgelöst wurde die Krise durch den Boom und den darauffolgenden Crash des (amerikanischen) Wohnungsmarktes; letztendlich kollabierte der Asset-Backed-Securities-Markt, weil eine Vielzahl von Finanzinvestoren, die große Verluste mit komplexen Finanzprodukten verzeichneten, in Schieflage gerieten. Für die Finanzinstitutionen wäre es nicht möglich gewesen, hypothekennahe Sicherheiten in solch gigantischem Volumen zu halten, wenn nicht grundsätzlich taugliche Risk Management Konzepte außer Kraft gesetzt worden wären. Als Erklärung wird in vielen Fällen das Prinzipal-Agenten-Problem herangezogen und die Tatsache, dass die CG Systeme, die dieses Problem eigentlich hätten lösen sollen, in diesen Firmen nicht gegriffen haben. Wird das Vertrauen im Zuge solcher Entwicklungen in das Asset Immobilie gestört, hat dies branchenweite Probleme zur Folge.

Eine gute CG ist daher die Basis dafür, Vertrauen in die Immobilienmarktakteure zurück zu gewinnen, denn Immobilienanlagen stehen sowohl für private als auch für institutionelle Anleger im Wettbewerb mit anderen Anlageformen.
Wie in Großbritannien und den USA ist die Entstehung des Deutschen CG Kodex (DCGK) auch in Deutschland wesentlich mit Dysfunktionen des Marktes verknüpft. Das deutsche System erschien internationalen Investoren wenig transparent und Aufsichtsräten, sowie Wirtschaftsprüfern fehlte es nach Meinung der Investoren an Unabhängigkeit. Deutschland hinkte damals, vor allem gegenüber den angelsächsischen Ländern, Anfang des Jahrhunderts bezüglich „Codes of Best Practice“ hinterher. Dieses Fehlen wurde von Politik und Wirtschaft als globaler Wettbewerbsnachteil betrachtet. Unter dieser Prämisse entstand der DCGK. Es galt, wie es vorher schon für die Rechnungslegung durch die IAS (International Accounting Standards) geschehen war, internationale Normen zu erfüllen.

Der von der „Regierungskommission DCGK“ 2002 verabschiedete Kodex bezieht sich zwar hauptsächlich auf den Shareholder-Ansatz, vertritt dabei aber auch die Interessen anderer Stakeholder. Im Herbst 2002 wurde die „Initiative CG der deutschen Immobilienwirtschaft e. V.“ ins Leben gerufen, die sich als Ziele gesetzt hat „Grundsätze einer transparenten und professionellen Unternehmensführung in der Immobilienwirtschaft zu erarbeiten und den bestehenden CG Kodex um immobilienspezifische Elemente zu erweitern.“

Die deutsche Immobilienwirtschaft hat sich also aus guten Gründen einen Kodex gegeben.
Die Initiative hat den DCGK auf börsennotierte und zur zukünftigen Börsennotierung vorgesehene Aktiengesellschaften, die das Immobiliengeschäft betreiben, ergänzt und überprüft diesen jährlich auf Aktualität. Die wichtigsten immobilienspezifischen Punkte des Kodex sind standarisierte Bewertungsmethoden, häufigere Bewertung von Immobilien und Veröffentlichung der Ergebnisse, klare Auflistung der gehaltenen Firmenanteile (shareholdings) und finanzieller Beteiligungen, bessere Qualifikationen von Management, Aufsichtsratsmitgliedern und Mitarbeiter, Zusammensetzung von Aufsichtsräten, Umgang mit Konflikten, die das Management betreffen, mehr Transparenz bezüglich dem Handeln des Vorstandes und bezüglich der Anteile die von der Geschäftsführung oder dem Aufsichtsrat gehalten werden, sowie engere Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und dem Wirtschaftsprüfer.

Die wichtige Frage ist jedoch: Ist dieser Kodex ein treuer Wachhund über die Transparenz der Unternehmenskommunikation und über die Gewissenhaftigkeit der Unternehmensführung oder ist es ein Papiertiger, mit dem man sich sein Schaufenster geschmückt hat?
Der Deutsche CG Kodex und sein immobilienspezifisches Pendant basieren wie die angelsächsischen Kodizes auch, auf dem „comply or explain“ Prinzip: der Kodex erlaubt es Unternehmen explizit von den Empfehlungen abzuweichen, wenn diese Tatsache unter Angabe von Gründen in der jeweiligen Entsprechenserklärung kenntlich gemacht wird, von Anregungen kann sogar ohne Begründung abgewichen werden, Bestimmungen hingegen, die auf einer gesetzlichen Grundlage basieren, müssen umgesetzt werden. Bei der Analyse von unternehmenseigenen Publikationen von kapitalmarktorientierten Immobilienunternehmen stellt man erfreulicherweise fest, dass zumindest der DCGK in der Unternehmensphilosophie der meisten Unternehmen verankert ist und die Entsprechenserklärungen, CG Berichte sowie Geschäftsberichte, ausgehend von einem niedrigen Niveau, aussagekräftiger werden.

Es muss aber immer noch viel Arbeit geleistet werden, wie die Erkenntnisse einer aktuellen empirischen Studie zeigen:

  • Es ist schwierig, Informationen zu allen Kodexziffern in den Unternehmenspublikationen zu finden.
  • Es fehlt an einem einheitlichen „Angabeformat“.
  • Der CG-Bericht als Teil des Geschäftsberichtes ist immer noch nicht verpflichtend.
  • Auf Anregungen gehen Unternehmen in der Praxis so gut wie gar nicht ein.
  • Empfehlungen und Bestimmungen werden zum Teil falsch interpretiert.
  • Kleinere Unternehmen machen weniger Angaben zum Kodex als die größeren.
  • Die Angaben zu sensiblen Daten (z. B. Angaben zu Gehältern und zu Frauenquoten) sind genauso lückenhaft wie bei klaren quantitativen Vorgaben in unpopulären Bereichen, bei denen der Anteil an Nicht-Befolgung und Nicht-Angaben überdurchschnittlich hoch ist.
  • Außerdem stellt man bedauerlicherweise fest, dass der immobilienspezifische Kodex noch nicht ausreichend in den Unternehmenskulturen verankert ist.

Was fehlt, damit der CG Kodex mehr Beachtung und Umsetzung erfährt?
Zunächst einmal ist die Entwicklung noch sehr jung. Institutionelle Prozesse sind sehr lang-sam. Darüber hinaus sind internationale und institutionelle Anleger wie oben argumentiert ein wichtiger Hebel, um CG zu etablieren. Auch dies sind langsame Prozesse. Hier können wir erwarten, dass große, internationale Marktteilnehmer rasch auf höhere Transparenz und scharfe Prozesse achten werden. Letztlich braucht aber auch die Branche die Erfahrung, dass eine gute CG mehr ist als ein schmucker neuer Titel, sondern für das Unternehmen renditewirksam. Wir benötigen also mehr öffentlichkeitswirksame Untersuchungen, dass eine gute CG sich auszahlt. Hoffen wir, dass dieses Verständnis nicht erst wieder einen großen Skandal benötigt.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts: Ebeling, Philip-Christian ; Just, Tobias: Corporate Governance: Warum dieses Thema gerade in der Immobilienwirtschaft so wichtig ist. In: Corporate Governance-Newsletter 2013, Nr. 1, S. 5-7

 

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