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IREBS Standpunkt Nr. 1

Die Macht langfristiger Trends führt nicht zu Ohnmacht der Immobilienanleger

Immobilien sind per se langfristige Anlagegüter. Daher sind langfristige Trends in einer Volkswirtschaft und Gesellschaft gerade für Immobilienanleger wichtig. Aber Vorsicht: Unterdessen wird der Begriff „Trend“ inflationär verwendet. Um sich nicht in der großen Trendvielfalt zu verlieren, sollte man mit dem Begriff sparsam umgehen. Trends unterscheiden sich von Zyklen, Moden oder spekulativen Entwicklungen dadurch, dass sie zumindest in Grundzügen systematisch angelegt sind, dass sie weit in die Zukunft reichen und dass ihr Auftreten als vergleichsweise gesichert gelten kann. Für die Immobilienwirtschaft sind v. a. die folgenden fünf Megatrends relevant: Demografische Entwicklungen, Verknappung der Ressourcen und deren Implikationen für klimatische Veränderungen, die Rationalisierung in Gebäuden – also der Einsatz von Technik, die Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit und die Öffnung von Gesellschaften.

Besteht aber ein weit reichender Konsens über diese Trends, dann kann dies zu holzschnittartigen Anlageempfehlungen verleiten – und dies kann gefährlich werden: Der Aufstieg Asiens legt Investitionen in China oder Indien nahe, der Bevölkerungsschwund in vielen deutschen Regionen erhöht die Risiken für die Vermietbarkeit von Wohnungen und Büros, und dass eine alternde Bevölkerung mehr barrierefreie Wohnungen und mehr Pflegeeinrichtungen benötigt, ist ebenso trivial. Zwar sind alle diese Schlussfolgerungen stichhaltig. Doch machen die demografischen Trends die genaue Standort- und Rentabilitätsanalyse nicht obsolet. Das bedeutet auch, dass es selbst in demografisch belasteten Regionen dann Chancen gibt, wenn das Einstiegsniveau sehr niedrig ist oder dass es Überangebot selbst in jenen Nischenmärkten geben kann, die von den demografischen Trends begünstigt sind. In Deutschland beschränkt sich das Immobilienanlageuniversum deshalb auch in Zukunft nicht auf die Big-6 und nicht nur auf wenige Top-Lagen oder auf Pflegeimmobilien.

Tatsächlich bedeuten die demografischen Trends global sogar das größte Wachstumsprogramm für die Bau- und Immobilienwirtschaft aller Zeiten, denn bis 2030 benötigt man knapp 1 Mrd. zusätzliche Wohnungen, denn die Weltbevölkerung wächst weiter, die Urbanisierung nimmt in Asien und Afrika zu und die steigenden Einkommen dort erlauben kleinere Haushalte. Internationalisierungsstrategien sind daher für institutionelle Immobilieninvestoren zwingend. Private Anleger sollten überlegen, ob sie von den langfristigen Chancen nicht über indirekte Anlagevehikel profitieren können. Zwei Dinge sind hierbei wichtig: Erstens beschränken sich die Investitionschancen nicht auf BRIC allein und zweitens hat sich die Immobilienwirtschaft in vielen Schwellenländern deutlich professionalisiert. Internationalisierung ist schon lange keine Einbahnstraße mehr. Der Wettbewerbsdruck um attraktive Assets und damit der Renditedruck werden auch durch das Kapital der Schwellenländer zunehmen – sowohl in den Emerging Markets als auch auf den heimischen Märkten.

Doch all dies könnte sich als Luxusproblem erweisen, wenn wir es nicht schaffen, den Klimawandel durch Reduktion klimaschädigender Emissionen deutlich zu verlangsamen. Auch hier gibt es eine sehr naheliegende Implikationen für die Immobilienwirtschaft: Weil 25 bis 40% aller CO2-Emissionen auf Aktivitäten in Gebäuden zurückzuführen sind, können wir sinnvolle Klimaziele wahrscheinlich nur mit einer umfassenden Immobilienstrategie erreichen. Dies macht Green Buildings, also energieeffiziente Gebäude, zu einem beliebten Konferenz- und Anlagethema. Manchmal wird hierbei der Eindruck erweckt, wir könnten mit energetischen Effizienzmaßnahmen geradezu spielerisch eine doppelte (vielleicht sogar dreifache) Dividende erzielen: Wir retten die Welt, erzielen damit sogar eine Überrendite für das private Portfolio und schaffen im Zuge der Baumaßnahmen neue Arbeitsplätze. Doch leider hat die Sache einen Haken: „Weltretten“ ist nicht kostenlos. Wäre die dreifache Dividende einfach zu verdienen, wären unsere Gebäude schon lange energetisch saniert. Doch CO2-Emissionen verursachen einen externen Effekt, nämlich den Beitrag zur Klimaveränderung. Solche externen Effekte werden auf Märkten nicht angemessen bepreist, es kommt zu Marktversagen, und dies kann oft nur durch staatliche Intervention behoben werden. Green Buildings können daher keine Renditegarantie sein, weil eine wichtige Wertkomponente ja in der Reduktion des externen Effektes besteht und damit außerhalb des Marktprozesses entsteht. Dennoch ist es sinnvoll in grüne Gebäude zu investieren, aber weniger mit dem Ziel einer Überrendite, sondern zur Vermeidung künftiger Risiken, nämlich den Risiken von regulatorischen Rahmenveränderungen v.a. des Gesetzgebers.

Langfristige Trends müssen beachtet werden, aber es gibt drei wichtige Randbemerkungen: Erstens, neben langfristigen Trends gibt es auch kurzfristige Zyklen. Man kann langfristig alles richtig machen und auf dem Weg dahin kurzfristig zahlungsunfähig werden, wenn man im falschen Zeitpunkt eines Zyklus einsteigt. Zweitens, manche Schlussfolgerungen sind so einfach, dass sie zu Herdenverhalten führen und dadurch drohen, am Angebotsüberhang zu scheitern. Wenn sehr viele Leute den richtigen Schluss daraus ziehen, dass wir mehr Pflegeobjekte benötigen, in China investiert sein zu müssen oder mehr grüne Gebäude benötigen, könnte es zumindest für einige eng werden, denn kein Markt ist grenzenlos absorptionsfähig. Analysten können auf die Macht langfristiger Trends hinweisen, sie können auch helfen, Antworten zu strukturieren, doch der Markt als Sportplatz der Ideen wird immer erfolgreicher sein, neue Ideen marktfähig zu entwickeln. Langfristige Trends prägen erfolgreiches unternehmerisches Handeln, sie schalten es nicht gleich. Drittens, auch für langfristige Trends gilt die Gesetzmäßigkeit der schwarzen Schwäne – es gibt eben Ereignisse und Entwicklungen, die unser gewohntes Wissen in kurzer Zeit auf den Kopf stellen können. Auch langfristige Trends können enden oder ihre Richtung ändern. Das Achten auf langfristige Trends befreit uns nicht von der Notwendigkeit, das Risiko durch Streuung zu reduzieren.

Weitere Veröffentlichung dieses Texts:
Just, Tobias: Vorsicht vor Trends. In: Immobilien & Finanzierung 62 (2011), Nr. 21, S. 758

 

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