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IREBS Standpunkt Nr. 39

Gute Wirtschaftsdaten verdecken anschwellende Probleme

Die deutsche Wirtschaft sendet ungeachtet der Wirtschaftsschwäche in Südeuropa zuletzt einige positive Signale: Der ifo-Geschäftsklimaindex hat sich seit Oktober 2014 bis zum April stetig verbessert. Insbesondere die aktuelle Lage wird von den befragten Unternehmen positiv bewertet; selbst die Einschätzungen zur näheren Zukunft haben sich ungeachtet der anhaltenden Unsicherheiten in Griechenland zuletzt in den positiven Wertebereich gerettet. Die Bundesregierung sowie die EU-Kommission haben ihre Wachstumsprognosen für 2015 und 2016 im Mai dieses Jahres auf knapp 2% festgesetzt. Ähnlich schätzt der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – die so genannten fünf Weisen – sowie die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute die Entwicklung für das laufen-de Jahr und teilweise auch für das nächste Jahr ein. Weil die Immobiliennachfrage natürlich am Tropf der Gesamtwirtschaft hängt, ließe sich hieraus ableiten, dass der Aufschwung an den deutschen Immobilienmärkten wenigstens noch zwei Jahre anhalten wird. Spielverderber könnten zwar darauf hinweisen, dass immer dann, wenn sich die Wirtschaftsforscher so schön einig sind, Vorsicht geboten ist, weil es neben dem Konjunkturzyklus eben auch einen Prognosezyklus gibt. Auch könnten sie spotten, dass die Immobiliennachfrage, vor allem auf der Investmentseite, insbesondere in den Jahren der größten Unsicherheit brummte, weil risikoscheue Anleger in den Immobilien Schutz ihrer Anlagegelder suchten. Müssten dann angesichts des vermeintlich hellen Konjunkturumfelds die Anlagemittel nicht wieder in risikobehaftete Vehikel fließen?

Zunächst einmal stellt sich die Frage: Was sind denn risikobehaftete Vehikel? Aktien stürmten ja von einem historischen Höchstwert zum nächsten. Der DAX notiert aktuell selbst nach einem Rückgang um 1.000 Zähler noch immer knapp 50% oberhalb des Spitzenwertes von 2006. Das verspricht in der Tat eine risikobehaftete Anlage, selbst wenn man berücksichtigt, dass die steigenden Dividenden einen Teil dieser Rallye erklären – aber halt nicht die ganze Entwicklung. Gleichzeitig kommt die Diskussion um eine mögliche Immobilienblase in Deutschland nicht zur Ruhe.

In der Tat ist der Rückgang der Mietrenditen für deutsche Wohnungen beachtlich: Seit 2009 sanken die Mietrenditen für Neubauwohnungen in deutschen Städten um knapp 50 Basis-punkte (0,5%-Punkte), in einigen Städten wie München oder Mainz sogar um über 80 Basispunkte. Im gleichen Zeitraum sank die Rendite für 10-jährige deutsche Staatsanleihen freilich um 400 Basispunkte auf vorübergehend fast null Prozent – auch wenn die Anleiherenditen zuletzt etwas stiegen, so bewegt sich die Rendite für eine langjährige deutsche Staatsanleihe weiterhin nur unwesentlich oberhalb von null Prozent. Wer hier in Ruhe mal einen Vervielfältiger für deutsche Staatsanleihen ausrechnen möchte, kann dies gerne tun. Das 30-Fache für eine gute Münchener Wohnlage erscheint dagegen jedenfalls sehr beruhigend. Kurz gefasst: Die Aktienkurse gaben deutlich nach, liegen aber noch fast 50% über dem Höchstwert des letzten Zyklus, die Renditen für langlaufenden Staatsanleihen legten zuletzt um fast 40 Basispunkte zu und erreichen nun ein implizites Multiple von 200, für kurzlaufende Staatsanleihen haben wir angesichts der negativen Renditen quasi unendliche hohe Vervielfältiger, doch wir sorgen uns in erster Linie um eine Immobilienblase. Das ist schon ein bisschen merkwürdig.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Vervielfältiger für viele Immobilienanlagen sind bedenklich hoch. Hier wird es über Kurz oder Lang Verlierer geben. Letztlich laufen Immobilienzyklen immer nach demselben Muster ab: Die Nachfrage nimmt zu, als Folge davon steigen Mieten und Preise, was Projektentwickler auf den Plan ruft; das Angebot erreicht aufgrund von Wirkungsverzögerungen dann zu spät die Märkte, nämlich wenn die Nachfrage ihren zyklischen Höhepunkt überschritten hat. Dann beginnen Mieten und Preise wieder zu sinken. Dies ist auch jetzt zu erwarten, und hier muss überhaupt keine Blase platzen, es wäre ein „ganz normaler“ Immobilienzyklus. Steigende Zinsen können diesen Prozess beschleunigen Doch das eigentlich Beunruhigende muss sein, dass viele konservative Anleger gar nicht aus Zockerei in Immobilien investieren, sondern aus Anlagenot, weil die Alternativen ausgegangen sind. Dass die Suche nach einer laufenden und auskömmlichen Auszahlungsrendite nun mehr Anleger in risikobehaftete Immobilieninvestments führt (u.a. Projektentwicklungen) ist aus dem oben skizzierten modellhaften Immobilienzyklus mittelfristig nicht günstig. Und dass die Regierung die Mietsteigerungspotenziale in Wohnimmobilien mindert, engt den Handlungsspielraum dieser konservativen Anleger zusätzlich und unnötig ein.

Zwei weitere Herausforderungen müssen dieses Jahr nach den erfreulichen Wachstumsprognosen verdaut werden, die in der Immobilienbranche bisher nicht hinreichend durchdekliniert wurden:

  1. Zum einen haben sich die Renditen für griechische Staatsanleihen kürzlich verdoppelt. Sie lagen zuvor auf dem Niveau einer B-Wohnlage einer deutschen A-Stadt und sind nun wieder zweistellig. Wer auch immer geglaubt hat, dass das Anlagerisiko in griechische Anleihen Ende 2014 so ähnlich sei wie ein Wohninvestment in Frankfurt, wurde also herbe enttäuscht. Nun haben wir uns an das Auf und Ab der griechischen Wertpapiere gewöhnt, das wirklich Bemerkenswerte war, dass die spanischen, italienischen und portugiesischen Anleihen anders als noch vor zwei oder drei Jahren fast überhaupt nicht auf die schlechten Finanznachrichten aus Griechenland reagierten. Die portugiesischen Staatsanleihen notierten zuletzt bei unter 2,4% - also etwa bei der Hälfte deutschen 10-jähriger Anleihen im Jahr 2008. Das Ansteckungsrisiko wird offenbar von den Kapitalmärkten als überschaubar bewertet. Genau dies macht den Grexit oder einen Graccident heute viel wahrscheinlicher als 2012, denn nun könnte die Minimax-Strategie – also die Minimierung des maximalen Risikos - in Europa tatsächlich im Management des Grexit liegen; vorher war es aufgrund der Ansteckungsgefahr quasi ausgeschlossen. Der Aufwertungsdruck für den Euro würde zunehmen. Und tatsächlich wertete der Euro wieder auf, und dies würde die deutsche Wachstumsdynamik reduzieren und folglich auch den Spielraum für einen Anstieg der Gewerbeimmobilienmieten. Diese Entwicklung dürfte aber weniger am erwarteten Grexit als an dem zweiten, zusätzlichen Risikopunkt liegen.
  2. Zum anderen legten nämlich die jüngsten Wirtschaftsnachrichten sowohl für China als auch für die USA keinen nachhaltigen Beschleunigungskurs nahe. Ein Aufschub der Zinswende wird für die USA mal wieder diskutiert, zuvor galt die Wende als ausgemachte Sache. In China hat die Regierung die Regeln für den Erwerb von Zweit- und Drittwohnungen gelockert, offensichtlich, um die Bau- und Immobilienkonjunktur anzukurbeln. Auch diese Maßnahme ist sicherlich nicht aus einem Gefühl der binnenkonjunkturellen Stärke getroffen worden. Wenn also die Heizer der beiden wichtigsten globalen Wirtschaftslokomotiven fehlenden Druck auf den Kesseln feststellen, ist dies keine gute Nachricht für den „exportabhängigen Waggon“ Deutschland.

Drei Dinge sind zusammenfassend für die nächsten 18 Monate wichtig: Erstens, das prognostizierte Wirtschaftswachstum für Deutschland ist keine Garantie, es bleiben erhebliche Unsicherheiten, schlechte Nachrichten für jene, deren Kaufgebote auf aggressiven Mietzuwächsen in der Zukunft fußen. Zweitens ein Grexit ist heute wahrscheinlicher als vor zwei Jahren; eine „Grapocalypse“ ist damit freilich ebenfalls unwahrscheinlicher geworden als 2012, andere südeuropäische Länder gelten aktuell als weniger ansteckungsgefährdet als noch vor drei Jahren. Diese eigentlich gute Nachricht ist für Immobilienanleger aber auf den zweiten Blick nicht zwingend positiv, da hiermit das Sicherheitsargument im Vergleich zu anderen Assetklassen ein Stückweit erodiert. Außerdem stellt sich natürlich die Frage, ob das Anlagerisiko in Portugal oder Italien wirklich so winzig ist wie es die Kurse der Staatsanleihen suggerieren. Drittens, es gibt mittlerweile wohl Übertreibungen auf europäischen Immobilienmärkten, doch verglichen mit den Übertreibungen auf den Anleihemärkten ist dies für Anleger noch immer das kleinere Übel. Damit wird die Anlagealternative Immobilien als das „kleinere Übel“ noch lange nicht zum Renditeturbo. Immobilienanleger müssen heute sehr genau hinschauen und ganz sicherlich einen längeren Atem mitbringen als vor drei oder vier Jahren. Die nächsten Quartale dürften noch sehr gut für die Immobilienwirtschaft laufen. Nur, je besser sie laufen, desto stärker könnte später eine Abwärtskorrektur ausfallen.

Ebenfalls zu diesem Thema:
Just, T., IREBS Standpunkt Nr. 25, Keine Blase, das Problem sitzt tiefer!
Just, T., IREBS Standpunkt Nr. 29, Über Immobilienpreisblasen und die Sorge vor Velociraptoren

 

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